Abschied von Chautauqua
«Ich geb dir einen Dollar, und du kannst dir davon kaufen, was du willst.»
«Außer Spielzeugautos», beharrte Lise.
«Das finde ich ziemlich großzügig», warf Arlene ein.
Sie warteten darauf, dass er «okay» sagte, doch er tat es so mürrisch, dass Lise am liebsten gesagt hätte, Ken solle das mit dem Dollar zurücknehmen, und dann musste sie Sam noch ermahnen, dass er sich bedanken sollte.
Emily, Meg und Justin warteten vor einem alten Mister Softee-Wagen auf sie, wo Hot Dogs verkauft wurden und für Senf und Zwiebeln ein verschrammter Nachttisch aufgestellt war, eine ekelhafte Angelegenheit, da auf den Soßenklecksen bereits die Fliegen saßen. Hinter ihnen zogen sich die mit Waren bedeckten Tische die ganze Landebahn entlang, reihenweise Ramsch.
«Was war denn mit euch los?», fragte Emily skeptisch. «Ich hab in den Spiegel geschaut, und urplötzlich wart ihr verschwunden.»
«Wir mussten tanken», sagte Ken.
«So lange?»
Warum interessiert dich das überhaupt?, dachte Lise. Arlene schien ihr beizupflichten, trat, gelangweilt von dem Thema, beiseite, zündete sich eine Zigarette an und wedelte das Streichholz aus. Lise beneidete sie darum, wie offen sie Emily ignorierte, und dachte daran, dass beide nur ein paar Straßen voneinander entfernt allein in Pittsburgh wohnten. Ihre Sehnsucht nach dieser Art von Selbstvertrauen würde Ken nie begreifen.
Er erzählte Emily, dass die Tankstelle verlassen gewesen war, und sofort verhörte sie ihn wie ein Kriminalbeamter. War irgendwas umgestoßen? Gab es Anzeichen für einen Kampf?
«Meinst du, wir sollten die Polizei verständigen?», fragte Emily ängstlich, und Lise musste sich das Lachen verkneifen. Emily schenkte ihr keine Beachtung und wandte sich direkt an Ken. «Das meine ich ernst.»
«Ich glaube, dass der Kassierer irgendwas zu erledigen hatte und dabei aufgehalten wurde», erwiderte Ken. «Wenn du willst, können wir auf der Rückfahrt nochmal nachsehen.»
«Lass uns das bitte tun», sagte seine Mutter - als hätte die Sache irgendetwas mit ihr zu tun.
Als das geklärt war, bogen sie in die erste Reihe und gingen die linke Seite entlang. Sie würden sich alle Stände der Reihe nach ansehen, wie bei einem Großeinkauf im Supermarkt. Alles war Ramsch. Ausgefranste Koffer, aufgestapelte Reifen, schiefe Bücherregale. Das Gras zwischen den Tischen war verfilzt und staubig, übersät mit zerquetschten Plastikbechern. Lise überlegte, wie spät es ungefähr sein mochte und wie lange es dauern würde, die Reihen abzuschreiten. Die Rückfahrt, dann Mittagessen.
Die Jungs waren schon vorgelaufen, ließen das Geschirr und das Sammelglas, den Modeschmuck und die Mardi Gras-Ketten aus und schwirrten von einer Seite des Gangs zur anderen, sodass Lise durch die Menschenmenge spähen musste, um Sams Red Sox-T-Shirt im Blick zu behalten. Sie bahnte sich zusammen mit Meg einen Weg durch die Menge, Ken und Emily kamen hinterhergezuckelt, und Arlene war allein unterwegs.
«Dieses Muster erinnert mich an das alte Frühstücksgeschirr deiner Tante June», schwadronierte Emily gerade, und Lise beschleunigte ihre Schritte.
Auf den Tischen ausgebreitet hatten die Waren etwas Willkürliches und Trauriges - verbeulte Biertabletts und kaputte Taschenuhren, braun verfärbte und brüchige Schnittmusterbogen, Brettspiele, bei denen Steine fehlten, fettige Bratpfannen. Es war, als hätte jemand ein längst verlassenes Haus leer geräumt und die guten Sachen wären schon weg - genau das, was sie diese Woche tun mussten.
Doch der nächste Tisch war interessant, und Meg inspizierte ein Tablett voller Bernsteinringe und -anhänger, mit erstarrten Insekten in dem hart gewordenen Harz. «Das ist schön», sagte Meg, deutete auf eine kunstvolle viktorianische Fassung; Lise stimmte ihr zu und drängte sie, den Ring anzuprobieren. Sie blickte auf, entdeckte Sam und Justin auf der anderen Seite des Gangs, wo sie in Plastikkörben voll Baseballkarten blätterten.
«Wie sieht das aus?», fragte Meg, streckte ihr die Hand wie zum Kuss entgegen.
«Fast richtig», sagte Lise und stellte fest, dass Meg ihren Ehering nicht mehr trug, da, wo er gesessen hatte, bloß weiße Haut. Waren sie also geschieden? Im Frühling schien es darauf hinauszulaufen, doch Ken hatte nichts gesagt.
Während Lise hinter Meg hertrottete, versuchte sie sich vorzustellen, wie sie sich fühlen würde, wenn Ken sie verließ, doch
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