Abschied von der Küchenpsychologie
paar Mal ohne Geschrei geklappt hat, wird in der nächsten Phase die Belohnung schrittweise reduziert. Es gibt sie jetzt z.B. nur noch bei jedem zweiten Einkauf oder immer am Samstag – vorausgesetzt, das Kind hat die ganze Woche gut «eingekauft». Oder das Leckerli wird durch andere Belohnungen ersetzt.
Tyrannisches Verhalten soll, wie gesagt, ins Leere laufen, und gutes Verhalten soll auf Resonanz stoßen. Zu gutem, nicht-tyrannischem Verhalten gehört dabei auch, dass das Kind Fragen oder Bitten vorbringt: «Darf ich ein …?», «Ich möchte gern ein …» – solche Sätze dürfen nicht ins Leere laufen. Auch wenn man den Wunsch selbst nicht erfüllen mag, das positive
Verhalten
sollte auf jeden Fall durch Zuhören, durch eine freundliche Erklärung oder durch ein Versprechen für die Zukunft «belohnt» werden.
Wenn Eltern ungewollt tyrannisches Verhalten unterstützen, kann dies mehrere Gründe haben. Zum einen wollen sie möglichst schnell «Ruhe» haben. Vielleicht fürchten sie auch – völlig unbegründet –, die Zuneigung ihres Kindes zu verlieren, wenn sie ihm nicht jeden Wunsch erfüllen. Vielleicht durchschauen sie auch die zuvor erläuterten «Lernfallen» nicht. Auf jeden Fall löst die Unterwerfung nicht das Problem, sondern verewigt es. Zugleich werden oft die Gefühle für das Kind in Mitleidenschaft gezogen und das Familienklima ebenso.
Tyrannisches Verhalten muss nicht immer laut und schrill sein. Auch Jammern und Nörgeln klingt unangenehm in den Ohren, zumal dann, wenn man es als Befehl empfindet, das eigene Tun sofort zu unterbrechen und sich um das Anliegen des Kindes zu kümmern. In dem folgenden Beispiel geht es erneut um den eigentlichen Erziehungsfehler, nämlich das Belohnen von unerwünschtem Verhalten, und in diesem Fall ist es in zweifacher Weise unerwünscht:
Eine Achtjährige macht Hausaufgaben, ihr Vater sitzt im Nebenraum und liest. Immer wieder jammert das Kind: «Papa, ich weiß nicht, wie das geht.» Der Papa kommt herbei und hilft. Nach wenigen Minuten wiederholt sich der Ablauf. Eigentlich möchte der Vater, dass seine Tochter nicht permanent nach Hilfe ruft, sondern selbständig arbeitet.
Wie leicht zu erkennen ist, reagiert der Vater positiv auf das Jammern, indem er das Lesen unterbricht und herbeikommt. Ungewollt fördert er damit erstens das Jammern und zweitens das unselbständige Arbeitsverhalten seiner Tochter. Er entlastet das Kind und wird für einen kurzen Moment selbst entlastet, weil das Jammern aufhört. Das Problem aber verfestigt sich.
Was könnte der Vater tun? Sein Ziel ist: Das Kind soll nicht nur nicht jammern, es soll selbständig arbeiten. Um dies zu fördern, müsste er eine 180 -Grad-Wende vollziehen und nur noch herbeikommen, wenn das Kind ein gewisses Pensum
erledigt
hat. Er könnte z.B. sagen: «Wenn du diese Aufgaben hier ausgerechnet hast, ruf mich, dann schaue ich sie nach.» Diese Anforderung könnte er schrittweise steigern bis zur kompletten Erledigung der Hausaufgaben. Auf Jammern und Rufen würde er nicht reagieren. Zusätzlich könnte er eine besondere Belohnung aussetzen, aber nur als Übergangshilfe.
Wenn sich das neue Verhalten eingespielt hat, belohnt es sich sozusagen selbst: weil es Erfolg bringt, weil es stolz macht, weil die Eltern es würdigen. Sollte das Jammern auch mit dem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit zu tun gehabt haben, so bekommt das Kind die Aufmerksamkeit nunmehr für selbständiges statt für unselbständiges Arbeiten.
Bei kleineren Kindern wird der
Wunsch nach Aufmerksamkeit
manchmal zu einer Dauerbelastung für die Eltern. Annette Kast-Zahn beschreibt, in welch tückische Falle Eltern dabei geraten können. Wenn es ihnen nämlich mit der Zuwendung irgendwann «zu viel» wird, machen sie möglicherweise den Fehler, dass sie sich dem Kind nur noch zuwenden, wenn sie es «müssen», das heißt, wenn das Kind «Theater macht». So lernt das Kind: Ich muss laut, nörgelig und bockig sein, dann kümmert man sich um mich. Die Eltern gewähren ihre Aufmerksamkeit zwar widerwillig, aber immerhin: Sie reagieren. Und wenn das Kind gerade «brav» ist, sind sie heilfroh über diese Pause und lassen es in Ruhe – bis es wieder «Theater macht». Im Ergebnis bekommt das Kind keine Aufmerksamkeit für erwünschtes Verhalten, wohl aber für unerwünschtes.
Allzu oft entsteht auf diese Weise ein gereiztes Klima. Um dem Teufelskreis zu entkommen, wäre es wichtig, nur angemessenes Verhalten mit Zuwendung zu
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