Abschied von der Küchenpsychologie
guter Erziehung wurde dies bereits erläutert (s.S. 334 ff.). In Konfliktsituationen hilft es, rasch aus einem negativen Klima herauszukommen.
Bei direkten
Aufforderungen
macht es einen Unterschied, ob man sie negativ oder positiv formuliert:
Statt: «Trödel nicht rum!» lieber: «Versuch mal, die Aufgaben in 10 Minuten zu schaffen!»
Statt: «Lass doch nicht alles liegen!» lieber: «Nimm die Sachen mit in dein Zimmer!»
Statt: «Sei doch nicht so unselbständig!» lieber: «Versuch es mal alleine!»
Solche positiven Aufforderungen sind nicht nur konkreter, sie klingen auch viel freundlicher. Soweit man selber betroffen ist, kann man auch eine indirekte Aufforderung in Form einer Ich-Botschaft senden: «Ich möchte noch ein paar Minuten Zeitung lesen, danach komme ich» (statt: «Stör mich nicht!»). So lernen selbst kleine Kinder allmählich, dass auch Erwachsene Bedürfnisse haben, die man ernst nehmen muss.
Ausgesprochen beschleunigend und gut für die Stimmung wirkt meistens das Ankündigen von
Anreizen
:
«Wenn du deine Legos in die Kiste geräumt hast, können wir zusammen ein Spiel spielen.»
«Wenn du heute auf dem Spielplatz kein Kind trittst oder haust, gehen wir anschließend Eis essen.»
«Wenn du diese Woche die Hausaufgaben immer bis 4 Uhr fertig hast, gehen wir Samstag in den Zoo.»
Gegen Anreize hört man nicht selten den Einwand: Wieso soll ich Selbstverständlichkeiten belohnen? Dann wäre zurückzufragen: Was ist denn die bessere Alternative? Falls man mit Bitten und Auffordern keinen Erfolg hat, läuft es in der Praxis meist auf endloses Ermahnen, Drohen und Bestrafen hinaus. Und klingt da das Versprechen «Wenn du pünktlich fertig bist, kannst du mit Karin ins Kino gehen» nicht viel schöner als die Drohung «Wenn du nicht pünktlich fertig bist, kannst du das Kino vergessen»? Es ist nun mal so: Wir Menschen lernen am Erfolg, und daher gilt: Auch gutes Verhalten muss sich lohnen.
Das Tyrannenproblem
Millionen Eltern machen es genau umgekehrt: Sie belohnen nicht das erwünschte Verhalten, sondern das unerwünschte – so wie in dieser Szene:
Eine Mutter schiebt ihren Dreijährigen im Einkaufswagen durch den Supermarkt. Als sie an den Süßwarenregalen vorbeikommen, meldet sich der Kleine: «Mama, darf ich ein Überraschungsei?» Die Mutter grummelt: «Nein, heute nicht.» Der Kleine rutscht etwas missvergnügt in seinem Sitz. Bei der Quengelware vor der Kasse versucht er es erneut: «Mama, ich möchte ein …» – «Heute nicht, hab ich gesagt.» Nun beginnt er zu brüllen: «Ich will aber …» – «Sei jetzt ruhig!». Aber er brüllt nur umso heftiger. Endlich gibt die Mutter nach: Sie reicht ihm ein Leckerli, und prompt tritt Ruhe ein.
So erzieht man Tyrannen: Man reagiere negativ auf positive Verhaltensweisen wie Fragen oder Bitten; man belohne hingegen negatives Verhalten wie Quengeln und Brüllen. So lernt ein Kind, was es tun muss, um sich durchzusetzen. Und so lernen die Erziehenden, was sie tun müssen, um das peinliche Gebrüll zu beenden – nämlich nachgeben. Beide Seiten belohnen sich gegenseitig: Die Erziehenden belohnen das Kind, indem sie seinen Wunsch erfüllen; das Kind belohnt, genauer: entlastet, die Erziehenden, indem es aufhört zu brüllen. Dadurch geraten die Erziehenden aber in eine Falle: Die kurzfristige Erleichterung bekräftigt bei ihnen ein Verhalten, mit dem sie das Problem verewigen.
Wie kommt man da raus? Zum einen, indem man das Brüllen, Jammern etc. konsequent ignoriert, auch wenn das zunächst Kraft kostet oder vor anderen Menschen, etwa im Supermarkt, peinlich sein mag. Zum andern, indem man vorübergehend die Belohnung als Anreiz für gutes Verhalten einsetzt. Dazu definiert man für sich zunächst das «gute» Verhalten und erklärt dem Kind konkret, was man von ihm erwartet:
Wie könnte das im Falle des «Supermarkt-Problems» aussehen? «Gutes» Verhalten ist mehr als «nicht brüllen». Die Mutter definiert es so: Der Kleine soll auf seine Weise vernünftig einkaufen. Er soll im Laden «helfen», die Artikel zu suchen und in den Wagen zu legen, und er soll am Käsestand und an der Kasse, genau wie ich, ein wenig warten. Er darf sich ein Leckerli aussuchen, bekommt es aber erst, wenn er brav eingekauft hat, also erst hinter der Kasse oder zu Hause. Zusätzlich macht die Mutter die gewünschte Selbstdisziplin vor, indem sie z.B. sagt: «Ich würde gern ein Eis essen, aber erst muss ich alles einkaufen.» Wenn der Einkauf ein
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