Abschied von der Küchenpsychologie
gelernt, eine perspektivische Zeichnung zu «lesen».
Zum Schluss sei betont, wie sehr die Wahrnehmung in die Gesamtheit der aktuellen Prozesse eingebettet ist und eine entscheidende Funktion für das sichtbare Verhalten ausübt, so etwa für die Fortbewegung im Raum, für das Schreiben mit einem Stift und überhaupt für zielgerichtetes Handeln.
Denken
«Oh, es hat geregnet», sagen Sie, als Sie vors Haus treten. Sehen können Sie den Regen nicht mehr, aber aus der nassen Straße folgern Sie das. Wenn in unserem Kopf etwas präsent ist, was wir im aktuellen Moment nicht wahrnehmen können, sprechen wir von Denken.
Denkvorgänge gibt es in zahllosen Varianten. Viele lassen sich, entsprechend dem Schema auf S. 50 , dem aufnehmenden Strang zuordnen, andere dem einwirkenden. Denn einerseits verarbeiten wir Wahrnehmungen weiter: Wir erfassen, interpretieren, klassifizieren, verstehen, folgern, bewerten etc. und verschaffen uns so Orientierung in der Welt. Andererseits dient das Denken unserem Handeln: Wir planen, entscheiden, steuern auf Ziele hin und lösen Probleme etc. Dies sind allerdings lediglich unterschiedliche Akzente; in der Praxis geht das Aufnehmen und Einwirken Hand in Hand.
Denken stützt sich immer auf
Gedächtnisleistungen
. Ohne Vorwissen kann man nichts verstehen und kein Problem lösen. Dabei können verschiedene Arten von Wissen eine Rolle spielen: sog. semantisches Wissen, das wohl den größten Teil unseres Schulwissen ausmacht («Was bedeutet Emanzipation?»), sog. prozedurales Wissen für das Ausführen von Tätigkeiten wie Malen, Schreiben oder Multiplizieren sowie episodisches Wissen, das aus Erinnerungen an Ereignisse und erlebte Situationen besteht (mehr hierzu in Kapitel 12.1 ).
Im sog.
Arbeitsgedächtnis
, gewissermaßen dem zentralen «Ort» des Denkens, treffen Informationen aus der Wahrnehmung und Wissen aus dem Langzeitgedächtnis zusammen. Beispiel: Man sieht über einem Text die Buchstaben: c a u t i o n. Dadurch wird Wissen im Langzeitgedächtnis aktiviert. Beides zusammen ergibt dann Gedanken wie: Das ist Englisch, es bedeutet Vorsicht, in dem Text ist wohl von einer Gefahr die Rede.
Ein Gedächtnis ist das Arbeitsgedächtnis insofern, als die Informationen für einige Sekunden im Bewusstsein gehalten werden. Wäre das nicht so, könnten wir nicht einmal einen langen Satz verstehen, weil wir an dessen Ende den Anfang schon wieder vergessen hätten. Doch neben dieser Kurzzeitspeicherung ermöglicht das Arbeitsgedächtnis auch Denkleistungen im eigentlichen Sinne: Informationen suchen, relevante von irrelevanten Informationen unterscheiden, Informationen zusammenfassen, Schlussfolgerungen ziehen usw. Ein Teil der neuen Informationen und «Arbeitsergebnisse» wird überdies aus dem Arbeitsgedächtnis ins Langzeitgedächtnis weitergeleitet – als neues Wissen.
Als besonders wertvoll gilt gewöhnlich das
produktive
oder problemlösende Denken, das immer dann gefordert ist, wenn man eine Aufgabe allein mit dem Abrufen von Wissen nicht bewältigen kann. Beispiele: Einen unübersichtlichen Buchtext strukturieren, für eine Bewerbung eine passende Selbstdarstellung formulieren, für eine Reparatur einen Notbehelf «erfinden», weil das passende Werkzeug fehlt. Zum produktiven Denken gehört sowohl die streng logische Lösungssuche, z.B. bei Matheaufgaben, als auch die eher «kreative» Ideenproduktion und freie Ausgestaltung, z.B. bei einem Aufsatz (siehe auch Kapitel 8.1 über Intelligenz).
Denken können Menschen auch über das eigene Denken. Sie können sozusagen in den eigenen Kopf blicken und ihr Denken bewerten oder in eine bestimmte Richtung lenken («Was will ich eigentlich erreichen?»). Solche Phänomene werden in der Psychologie unter dem Begriff
Metakognition
zusammengefasst. Sie haben große Bedeutung für die Qualität des Denkens und Lernens. Die wohl berühmteste Metakognition der Weltgeschichte stammt von Sokrates: «Ich weiß, dass ich nichts weiß.»
Emotion
Wir fühlen uns gut, wir fühlen uns schlecht; wir fühlen Ärger, Stolz, Angst oder Langeweile; wir fühlen selbst dann etwas, wenn wir sagen: «Ich fühle mich ganz leer.»
Während wir das Denken im Kopf lokalisieren, füllen Emotionen gewissermaßen den ganzen Menschen aus – als «leib-seelische» Befindlichkeit. Und während wir das Denken als ein aktives Tun erleben können, «überkommen» uns die Gefühle einfach. Sie zeigen uns an, wie die aktuelle Lage so ist – in
weitem
Sinne
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