Abschied von der Küchenpsychologie
unsere
eigene
Lage. Denn Gefühle sind unterschiedliche «Formen des Berührtseins», wie Ulich & Mayring es ausdrücken. Berührt und daher traurig sind wir z.B. über ein Unglück von Freunden, und wir empören uns auch über ferne Ereignisse, die unsere eigenen Wertvorstellungen verletzen. Aber ohne einen Bezug zu uns selbst mag geschehen, was will – wir spüren weder Ärger noch Freude.
Unterscheiden kann man die Vielfalt der Emotionen zum einem unter dem Aspekt «angenehm» – «unangenehm». Ein weiteres Kriterium ist die Erregung. Zwischen den Polen «ruhig» und «stark erregt» nehmen z.B. Langeweile und Ärger unterschiedliche Plätze ein. In der Umgangssprache wird je nach dem Grad der Erregung zuweilen zwischen Emotion und Gefühl unterschieden; das Wort «Emotion» lässt uns eher an eine starke Erregung denken als «Gefühl» («in der Sitzung prallten die Emotionen aufeinander»). Doch in der deutschsprachigen Psychologie werden die Bezeichnungen meist synonym verwendet.
Aber man kann Emotionen auch ganz anders unterscheiden, nämlich nach ihrem
Bedeutungsgehalt
. Einige Beispiele: Hoffnung und Furcht sind Erwartungs-Emotionen. Bewunderung, Verachtung, Liebe und Hass sind Beziehungs-Emotionen. Stolz und Scham sind positive und negative Bewertungen für selbstverursachtes Verhalten.
So leicht wir im eigenen Erleben Emotionen von Wahrnehmungen und Gedanken unterscheiden können, so falsch wäre es doch, ihren Zusammenhang zu übersehen. Emotionen sind gewöhnlich Reaktionen auf wahrgenommene und
subjektiv aufgefasste
Geschehnisse. Insofern kann man sie den aufnehmenden Prozessen zuordnen. (Das gilt nicht für Zustände, die z.B. durch Biorhythmen oder Krankheiten entstehen). Ein Beispiel für die Rolle des Auffassens oder Interpretierens: Wenn jemand etwas kaputtmacht, dann ärgern wir uns heftig, falls wir dahinter eine böse Absicht vermuten, doch viel weniger, wenn wir es für ein Versehen halten. Dass Emotionen, wie zuvor erwähnt, Bedeutungen und Bewertungen enthalten, zeigt ebenfalls: Sie sind nicht einfach dumpfe Bauch-Phänomene, sondern auch etwas Gedankliches. Versuchen Sie es einmal selbst: Was denkt ein Mensch, was weiß, versteht oder glaubt er, wenn er sagt: «Das ist ja peinlich» oder «Da bin ich begeistert» oder «Dafür bin ich dir dankbar»?
Motivation und Wille
Eine Mutter geht stundenlang von Geschäft zu Geschäft, weil sie ein ganz bestimmtes Geschenk zum Geburtstag ihrer Tochter sucht. Ein Student brütet vor der Prüfung bis tief in die Nacht über Büchern. Demonstranten harren endlose Stunden auf Bahngleisen aus, um einen Atommülltransport aufzuhalten.
Fragen wir nach dem «Warum» eines Verhaltens, so empfinden wir Aussagen zur Motivation als besonders informativ. Es sind Aussagen darüber, dass Menschen
Ziele
anstreben: z.B. jemandem eine Freude zu machen, die eigene Tüchtigkeit zu beweisen, Geld zu verdienen, Anerkennung zu erhalten, Gefahren abzuwehren oder ein Vergnügen zu erleben. Ohne das unsichtbare Phänomen Motivation können wir nicht erklären, dass menschliches Verhalten zielgerichtet, intensiv und beharrlich sein kann. Die Motivation ist nicht nur ein Motor (also ein «Beweg-Grund»), sondern zugleich ein Wegweiser, der die Richtung anzeigt.
Nun erklärt man Verhalten nicht selten auch mit Angst, Ärger, Freude oder Heimweh, also mit Emotionen. Wenn Emotionen ebenfalls motivieren können, wo ist dann der Unterschied zur Motivation? Der Tendenz nach lassen sie sich etwa so gegenüberstellen: Während Emotionen anzeigen, in welcher Lage wir uns gerade befinden («Befindlichkeit»), ist die Motivation auf etwas Künftiges gerichtet, auf eine angestrebte Lage; sie ist insofern proaktiv statt reaktiv. Anders gesagt: Bei der Emotion geht es um einen Ist-Zustand, bei der Motivation um einen Soll-Zustand. Allerdings: So lassen sie sich zwar unterscheiden, aber nicht voneinander trennen – wie zwei Seiten einer Münze. Je nachdem, ob man mehr auf das Befinden oder auf das Streben schaut, spricht man von Emotion/Gefühl oder von Motivation. In diesem Sinne sind z.B. Langeweile, Angst und Freude eher Emotionen, aber Neugier, Interesse oder Ehrgeiz eher Motivationen.
In der Geschichte der Psychologie hat es immer wieder Versuche gegeben, die vielfältigen Motivationen auf wenige grundlegende Triebe oder Bedürfnisse zurückzuführen, bei Freud etwa auf Eros und Todestrieb. Solche Konzepte haben sich aber nicht bewährt; keines erwies sich als
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