Abschied von der Küchenpsychologie
verunglückte Formulierung, weil uns gerade nicht die passenden Worte einfielen?
Die Alternative zur Warum-Frage ist ein einfühlsames Gespräch, ein Gespräch mit einem hohen Anteil von aktivem Zuhören und Mitdenken – immer mit dem Blick auf die inneren Prozesse. Das könnte z.B. so klingen:
«Du bist also selber noch unsicher, was für ein Gefühl du da hattest?»
«Wenn ich es richtig verstehe, hattest du eher erwartet, dass …»
«Heißt das, Sie waren enttäuscht, dass so wenig Resonanz kam?»
Man greift also auf, was die andere Person sagt, aber nicht als Echo, sondern indem man den Kern des Erlebens zu erfassen versucht. Dies gibt man in eigenen Worten zurück, worauf die andere Person wiederum korrigieren oder vertiefen kann. Schritt für Schritt kann so das Verstehen der inneren Prozesse voranschreiten – nicht nur für die zuhörende, sondern auch für die mitteilende Person. (Mehr hierzu in Kapitel 10.1 , S. 252 ff.)
Ein Gespräch kann manchmal auch Auskünfte über Personfaktoren und Entwicklungsbedingungen liefern, sofern der Gesprächspartner beispielsweise mitteilt, wie er selbst seine Fähigkeiten, sein Temperament, seine Interessen etc. einschätzt oder an welche Erfahrungen mit den Eltern und Geschwistern er sich erinnert. Dies ist eine zusätzliche diagnostische Quelle, aber: Auch solche Auskünfte sind keine Tatsachenberichte, sondern subjektive Einschätzungen und Erinnerungen.
5.3 Veränderung beim Einzelnen = personbezogen
Eine Studentin möchte ihre ausgeprägte Prüfungsangst verlieren. Ein Lehrer möchte durch eine andere Klassenführung die Störungen eindämmen. Ein Kind soll im Supermarkt ganz brav an der Quengelware vorbeigehen. In allen Fällen ist es das Ziel, dass eine Person sich in bestimmten Situationen anders verhält, anders denkt oder andere Gefühle hat als vorher, und zwar nachhaltig. Mit anderen Worten: die Person will bzw. soll etwas lernen.
Das gezielte Einleiten und Steuern von Lernprozessen ist das gemeinsame Merkmal von Erziehung, Ausbildung, Unterricht, Training und Psychotherapie. Einige Prinzipien, die für viele Kontexte relevant sind und sich zum Teil auch von Laien anwenden lassen, sollen hier im Überblick vorgestellt werden. Das Beeinflussen und Verändern in speziellen Kontexten wird in späteren Kapiteln des Buches zur Sprache kommen.
Änderung von Verhalten, von Wissen, von Emotionen
Wer den Führerschein machen will, braucht sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Fertigkeiten – verschiedene Ziele, für die man auch verschiedene Lernwege benötigt. Durch Vorträge und Texte, also auf rein kognitivem Wege, kann man zwar die Verkehrsregeln erlernen, nicht aber den Umgang mit dem Fahrzeug. Hierfür muss man praktisch üben, bis sich motorische Routinen entwickeln. Umgekehrt bekommt man durch solche Übungen kein umfangreiches Regelwerk in den Kopf.
Bei allen gezielten Einflussnahmen macht man sich die in Kapitel 4.5 (s.S. 67 ff.) beschriebenen Lernarten zunutze, und zwar mit wechselnden Anteilen – je nachdem, was verändert werden soll: Verhalten, kognitive Leistungen oder Emotionen und Motivationen.
Veränderung von Verhalten:
Ein Sportlehrer macht eine Turnübung vor, Eltern machen ihrem Kind vor, wie man eine Straße überquert, eine Psychologin führt vor, mit welchen Worten und Gesten man ganz gelassen einen Konflikt regeln könnte. Für vielfältigste Anliegen lässt sich also das Lernen am Modell nutzen, wobei das Modell nicht unbedingt leibhaftig auftreten muss, sondern z.B. auch auf dem Bildschirm erscheinen kann.
Neues Verhalten kann man überdies erwerben, indem man sich selber etwas ausdenkt, z.B. eine Konfliktlösung oder eine Hilfeleistung. Zu solchem produktiven Denken kann man sogar schon Kindergartenkinder anregen, wie erfolgreiche Programme zum sog. sozialen Problemlösen zeigen. Die Kinder lernen dabei, in Alternativen zu denken und auch mögliche Folgen ihres Handelns zu bedenken. Dazu stellt man Fragen wie diese: «Was könntest du tun?», «Ja, das ist eine Möglichkeit. Was könntest du sonst noch tun?» und: «Was wird passieren, wenn du dies tust?» Auf diesem kognitiven Weg entsteht Handlungswissen. Die Umsetzung erfordert oft allerdings noch Übung.
Beim Üben spielt das Lernen am Erfolg und Misserfolg (Lernen am Effekt) eine zentrale Rolle. Gelungenes Verhalten verfestigt sich, unpassendes verliert sich allmählich. Wenn die übende Person selber nicht sicher bewerten kann, ob das
Weitere Kostenlose Bücher