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Abschied von der Küchenpsychologie

Abschied von der Küchenpsychologie

Titel: Abschied von der Küchenpsychologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Nolting
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Beobachtungen. Auch dies sind Beschreibungsversuche, aber sie sind viel subjektiver als konkrete Angaben zu Verhaltensweisen und Kontextaspekten.
    Sofern man Tatbestände überhaupt erst erkunden muss, um sie beschreiben zu können, wäre eine
gezielte Beobachtung
die Methode der Wahl. Beobachten kann man sowohl andere Menschen als auch sich selbst. Beispiele:
    Man notiert einen Tag lang jeden beobachteten Vorfall, bei dem Kind X schlägt, tritt, kneift oder auf andere Weise körperlich angreift.
Man beobachtet, bei welchen Anlässen sich in der Schulklasse das «Rumschreien» steigert.
Man registriert bei sich selbst, wann man im Laufe eines Tages eine Zigarette raucht oder bei welchen Anlässen man sich ärgert.
    Durch Strichlisten und Notizen erhält man Informationen, die möglicherweise pauschale Aussagen zurechtrücken und später als Vergleichswert dienen, wenn man Veränderungsmaßnahmen ausprobiert.
    Wie erwähnt, kann es sehr nützlich sein, wenn man nicht nur herausfindet, wann das kritische Verhalten auftritt, sondern auch, wann es
nicht
auftritt. Vielleicht stellt man dann z.B. fest, dass ein Kind bei bestimmten Aktivitäten durchaus konzentriert arbeitet, oder dass die Schüler bei bestimmten Aufgaben oder bei bestimmten Lehrkräften keineswegs «rumschreien». Und daraus lässt sich vielleicht etwas machen.
    Selbstreflexion und Sich-Hineinversetzen
    Die Gedanken, Gefühle und Motivationen hinter einem Verhalten kann man auch bei sich selbst zuweilen nur schwer erfassen. Wäre das Erkennen des eigenen Innenlebens immer eine einfache Sache, hätte die Psychotherapie-Branche nicht so viel zu tun. Viele Therapieformen sind im Grunde eine Anleitung zu tiefer Selbstreflexion.
    Doch natürlich kann man im Alltag auch ohne professionelle Unterstützung Selbstreflexion betreiben. Man kann beispielsweise Fragen wie diesen nachgehen:
    «Warum macht mir diese Sache so viel aus?», «Was genau finde ich daran so belastend?»
«Was hindert mich daran, mich so zu verhalten, wie ich es gerne möchte?»
«Ist mir wirklich klar, welches Verhalten ich mir wünsche?»
    Sofern es um ein Problem mit anderen Menschen geht, hat die Selbstreflexion auch zu klären, wieweit man durch sein eigenes Verhalten zu dem Problem beigetragen hat.
    Solche Fragen gehen über eine bloße Selbstbeschreibung hinaus. Sie versuchen vielmehr auch zu klären,
warum
ein bestimmtes Gefühl auftritt oder was genau man eigentlich anstrebt. Die Selbstreflexion registriert also nicht nur, sondern stellt Zusammenhänge her und sorgt mithin für ein tieferes Verständnis.
    Eine gute Möglichkeit, die Selbstreflexion zu intensivieren, ist das
Schreiben
, eine andere ist das
Gespräch
mit einem einfühlsamen und anregenden Zuhörer. In vielen Fällen, aber sicherlich nicht immer, führt allein die Selbstreflexion schon zu emotionalen Veränderungen oder auch zu Verhaltensänderungen.
    Geht es um die inneren Prozesse einer
anderen
Person, kann man versuchen, sich in sie
hineinzuversetzen
. Man fragt sich, wie das Problem wohl aus ihrer Warte aussieht (Perspektivenübernahme) und welche Gefühle und Motivationen sie empfindet (Einfühlung). Vielleicht kommt man so auf neue Ideen, wie ihr Verhalten zu erklären sein könnte: dass beispielsweise die «Faulheit» eines Schülers auch ein Zeichen von Entmutigung sein kann, oder dass das eigene große Geschenk den anderen vielleicht eher beschämt als erfreut hat. Sicherlich: Es sind immer nur Vermutungen!
    Befragung und Gespräch
    Mehr als nur Vermutungen erlangt man häufig durch eine Befragung bzw. ein Gespräch. In einer
Befragung
ist klar verteilt, wer fragt und wer antwortet. Ein
Gespräch
ist dialogisch und im Alltag meistens der natürliche Weg. Ein gutes Gespräch kann sowohl die Selbstreflexion als auch das Einfühlen in den Gesprächspartner fördern.
    Nicht selten hört man die Frage: «Warum hast du dich so verhalten?» Auf den ersten Blick scheinen Warum-Fragen der direkte Weg zur Diagnose zu sein. Doch tatsächlich sind sie oftmals ganz unergiebig. Selbst wenn die befragte Person zu offener Auskunft bereit ist – häufig weiß sie es selber nicht so genau (s.o.). Das gilt nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Wir haben vielleicht eine unpassende Bemerkung gemacht, aber die Frage «Warum hast du das gesagt?» können wir nur unvollkommen beantworten. Spielten da Gefühle mit, die wir noch nicht erkannt hatten? Oder irgendeine versteckte Absicht? Oder war es einfach nur eine

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