Abschied von der Küchenpsychologie
Polizeistatistik (sog. Hellfeld). Männer, die von Frauen misshandelt werden, schämen sich ihrer Schwäche, sie fürchten, dass man ihnen nicht glaubt, und sie verzichten daher gewöhnlich auf eine Anzeige.
Die Klischees: nützlich und riskant
Insgesamt sind die Unterschiede im interpersonalen Verhalten, insbesondere in der verbalen und nonverbalen Kommunikation, bei weitem nicht so groß, wie die Geschlechterstereotype uns weismachen wollen, zum Teil gibt es gar keine nennenswerten Unterschiede. Lilienfeld u.a. zitieren hier die amerikanische Psychologin Kathryn Dindia, die die psychologische Distanz zwischen Männern und Frauen in folgendem hübschen Vergleich zusammenfasst: Männer kommen nicht vom Mars und Frauen nicht von der Venus; eher müsste man sagen: Männer kommen aus North Dakota und Frauen aus South Dakota.
Leider werden Wissenschaftler aber wohl nie eine Chance haben, in einer breiten Öffentlichkeit die maßlosen Übertreibungen zu korrigieren. Warum sind demgegenüber die Klischeepropagandisten so erfolgreich? Vermutlich spielen hier zwei Gründe eine wichtige Rolle. Zum einen sind große Unterschiede viel interessanter als geringe. Wer ein Buch über die Ähnlichkeiten von Männern und Frauen schreibt, hätte wohl kaum eine Chance, in eine Talkshow eingeladen zu werden. Und auch die TV -Comedians, die mit den angeblichen Unterschieden ihre Späße treiben, wären ziemlich arm dran.
Zum andern sind die Stereotype im persönlichen Miteinander oft nützlich. Es ist nämlich wunderbar entlastend, wenn man ein
Problem
zwischen einer weiblichen und einer männlichen Person einfach auf das unterschiedliche Geschlecht schieben kann. Da man für sein Geschlecht ja nicht verantwortlich ist, brauchen die Beteiligten nicht auf sich selbst als Person und auf eigene Fehler zu schauen, sie brauchen weder Feinheiten ihrer Kommunikation noch tiefere Beziehungsstörungen unter die Lupe zu nehmen, sie brauchen sich auch nicht um persönliches Umlernen zu bemühen. Kommt es also allen Betroffenen nicht sehr entgegen, wenn man sich einfach darauf einigen kann: «Da sind Männer eben anders als Frauen»?
Man sollte nicht vergessen, dass auch wissenschaftlich bestätigte Unterschiede immer nur Differenzen zwischen dem
Mittelwert
vieler Frauen und dem
Mittelwert
vieler Männer sind. Diese Unterschiede sind aber nur klein im Vergleich zu den
individuellen
Unterschieden innerhalb der Geschlechter. Frauen unterscheiden sich also untereinander und Männer unterscheiden sich untereinander weit mehr, als die beiden Geschlechter sich im Durchschnitt unterscheiden!! Und das bedeutet, dass man im Alltag ohnehin in erster Linie auf die einzelne Person schauen muss und nicht glauben sollte, man hätte schon viel verstanden, wenn man ein Verhalten als «typisch Mann» oder «typisch Frau» einordnen zu können glaubt.
Die Klischees im Kopf können nicht nur zu einem oberflächlichen Verständnis bei konkreten Paarproblemen verleiten, sondern auch zu einer Fehleinschätzung von Entwicklungspotenzialen. Könnte es nicht beispielsweise ein Hindernis für beide Seiten sein, wenn Männer und/oder Frauen glauben, Männer könnten von Natur aus nicht so fürsorglich sein wie Frauen? Immerhin war es früher einmal ein Hindernis für die Entwicklung von Frauen, dass man ihnen bei geistigen Leistungen weniger zutraute als Männern. Wer hätte vor Jahrzehnten vorhergesagt, dass Schülerinnen und Studentinnen ihre Mitschüler und Mitstudenten überflügeln würden – so wie es heute, statistisch gesehen, eingetreten ist.
9.2 «Um Verhalten zu ändern, muss man zuerst die Einstellung ändern»
Es war die Zeit der Sommerferien 1949 in den USA . 24 Jungen im Alter von etwa 12 Jahren reisten zu einem dreiwöchigen Ferienlager in die Berge und wurden dort anfangs in einer großen Baracke untergebracht. Sie alle hatten sich zuvor nicht gekannt, doch schon in den ersten Tagen entwickelten sich schnell Sympathiebeziehungen. Nun aber beschloss die Lagerleitung, die Jungen auf zwei Hütten zu verteilen, wo sie getrennt voneinander wohnen und ihre Ferien gestalten sollten. Bei der Aufteilung wurde keine Rücksicht auf die Sympathien genommen. Im Gegenteil, die Betreuer steckten vornehmlich solche Jungen zusammen, die sich noch nicht angefreundet hatten. Wie wirkte sich das aus?
Freundschaft, Feindschaft, Versöhnung
Durch die herzlos erscheinende Entscheidung der Betreuer wurde die Stimmung für den Rest der Ferien keineswegs vermiest. Denn
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