Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abschied von der Küchenpsychologie

Abschied von der Küchenpsychologie

Titel: Abschied von der Küchenpsychologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Nolting
Vom Netzwerk:
populären Annahme. Danach folgen fünf weitere «zwischenmenschliche» Themen (Kapitel  10 ).

9. Populäre Irrtümer und Kurzschlüsse
    Wie unterschiedlich sind Männer und Frauen in Bezug auf ihr zwischenmenschliches Verhalten? Um diese Frage geht es beim ersten Thema. Das zweite Thema beleuchtet den Zusammenhang von Einstellungen und Verhalten: Was bedingt was? Die Rolle sozialer Einstellungen bzw. Werthaltungen bildet auch den Ausgangspunkt für das Thema Hilfeleistung, für
pro
soziales Verhalten. Anschließend geht es zweimal um
anti
soziales Verhalten, nämlich beim Thema Mobbing und bei der Frage, wie sich aggressive Affekte und Stimmungen vermindern lassen. Dies sind zwei Unteraspekte des Themenbereichs «Aggression». Wer zunächst mit einem Überblick zur Psychologie der Aggression beginnen möchte, sei auf Kapitel  10.4 verwiesen.
    9.1 «Männer und Frauen kommunizieren ganz unterschiedlich»
    «Ein Mann – ein Wort; eine Frau – ein Wörterbuch.» «Männer kommen vom Mars, Frauen von der Venus.» Wer hat solche Sprüche nicht schon gehört? Ganz abgesehen vom Einparken und der Vorliebe für Schuhe sollen sich Frauen und Männer auch in der Art ihrer Kommunikation so sehr unterscheiden, dass sie sich dauernd missverstehen. Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind jedenfalls ein ewiges Thema, und offenkundig eignet es sich hervorragend für lustige Fernsehunterhaltung ebenso wie für Bestseller im Sachbuchbereich.
    Publikationen, die Männer und Frauen wie psychologische Gegenpole behandeln, haben eines gemeinsam: Sie stützen sich kaum auf die Forschung, sondern vornehmlich auf persönliche Eindrücke und etablierte Klischees. Und dort, wo sie die Forschung zitieren, vergröbern sie die Befunde wiederum so sehr, dass die Unterschiede riesig und die Übereinstimmungen gering erscheinen. Natürlich kann jede Leserin und jeder Leser aus persönlicher Erfahrung Beispiele nennen, die die Kluft zu bestätigen scheinen. Aber mit einzelnen Beispielen ist das so eine Sache (s.S.  27 ), denn es lassen sich immer auch Gegenbeispiele finden. Und so stellt sich bei jedem Beispiel die Frage: Ist hier das Verhalten wirklich geschlechtstypisch oder nicht eher persontypisch?
    Um dies voneinander zu trennen, um also das Geschlechtstypische herauszufiltern, braucht man empirische Studien an großen Stichproben. Die gibt es in beachtlicher Zahl, und nicht wenige beziehen sich auf den Bereich der Kommunikation oder, etwas weiter gefasst, auf das interpersonale Verhalten. Hierauf liegt im Folgenden der Schwerpunkt.
    Kommunikation und Einfühlung
    Beginnen wir mit der Vorstellung, dass «die» Quasselstrippe weiblich ist. Reden Frauen wirklich mehr als Männer? Das kann man ja mal auszählen, und genau dies, so berichten Lilienfeld u.a., hat eine Forschergruppe mit 400 College-Studenten und -Studentinnen gemacht. Sie trugen kleine Recorder mit sich, die über den ganzen Tag sämtliche Gespräche aufzeichneten. Das Ergebnis: Die Frauen gaben pro Tag im Durchschnitt etwa 16000 Wörter von sich – und die Männer genauso! Dies ist nur eine Untersuchung aus jüngerer Zeit. Doch auch eine sog. Meta-Analyse aus insgesamt 73 Studien kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Danach lässt sich zwar ein etwas größerer Redefluss von Frauen errechnen, doch ist der Unterschied so winzig, dass er im Alltag weder wahrnehmbar noch praktisch bedeutsam ist. Janet Hyde, seit Jahrzehnten führend auf dem Gebiet der empirischen Geschlechterforschung, hat Studien zu zahlreichen Einzelaspekten zusammengestellt und konnte im Bereich Kommunikation und Sozialverhalten (ebenso wie in anderen Bereichen) fast immer nur unbedeutende Geschlechterdifferenzen ermitteln.
    Das gilt offenbar auch für die Neigung, Gesprächspartner zu unterbrechen. Hier sollen es eher die Männer sein, die das tun. Die Tendenz geht zwar in diese Richtung, aber der Unterschied ist viel zu gering, um damit ein Klischee zu untermauern. Überdies ist es unwahrscheinlich, dass die Häufigkeit des Unterbrechens überhaupt direkt mit dem Geschlecht zu tun hat. Viel wichtiger ist offensichtlich der soziale Status. Vor allem im Beruf haben Männer weit öfter eine höhere Position als Frauen. Dort, wo Frauen eine höhere Position einnehmen, sind sie es, die häufiger und länger das Wort ergreifen – und andere unterbrechen. Man muss also, wie so oft, auch hier den interpersonalen Kontext berücksichtigen.
    Eine weitere Frage betrifft die inhaltliche Seite der Kommunikation.

Weitere Kostenlose Bücher