Abschied von der Küchenpsychologie
Geben Frauen von sich selber mehr preis als Männer? Die Tendenz geht ein wenig in die Richtung, dass Frauen sich gegenüber vertrauten Personen eher öffnen, dass sie eher über ihre Gefühle sprechen als Männer und vor allem eher zugeben, dass sie Angst haben (s. auch S. 169 über Angst). Das kann nicht daran liegen, dass Männer weniger emotionale Wesen sind, denn die physiologischen Anzeichen emotionaler Erregung sind bei ihnen genauso stark. Es ist also wohl eher eine Frage des Preisgebens.
Nicht nur sprachlich, auch
nonverbal
drücken Frauen ihre Emotionen stärker aus als Männer – doch nicht immer: Ausnahmen sind Ärger und Enttäuschung, so Andrea Abele. Am größten ist der Unterschied bei einem eher erfreulichen Element des nonverbalen Verhaltens: Frauen lächeln viel mehr als Männer!
Und wie ist es mit dem
Verstehen
von nonverbalem Verhalten? Erkennen Frauen eher als Männer aus Gesichtern, ob ein anderer Mensch z.B. traurig, ärgerlich oder glücklich ist? Solch eine Sensibilität ist ein wichtiger Aspekt der Einfühlung in andere Menschen, und in diesem Punkt scheinen Frauen im Durchschnitt tatsächlich sensibler zu sein. Allerdings ist damit noch nicht ganz klar, ob Männer weniger Einfühlungs
vermögen
besitzen oder ob sie nur weniger daran
interessiert
sind, was in anderen vorgeht, worauf es auch Hinweise gibt. Wenn Frauen im Durchschnitt mehr nonverbale Sensibilität und mehr Einfühlung
zeigen
als Männer, ist dies also womöglich eher eine Frage der Motivation als der Fähigkeit.
Helfendes und aggressives Verhalten
Zwei weitere interessante Aspekte des interpersonalen Verhaltens sind Hilfeleistung und aggressives Verhalten. Da beiden Themen eigene Buchabschnitte gewidmet sind, soll an dieser Stelle nur der Geschlechteraspekt angesprochen werden.
Zunächst zur
Hilfeleistung
. Zu der Frage, ob sich die Geschlechter in diesem Punkt unterscheiden, gibt es zahlreiche Untersuchungen, und in der Quersumme aus verschiedenartigen Hilfeleistungen kommt man zu keinem Unterschied. Differenziert man hingegen nach Arten der Hilfeleistung, findet man in mancher Hinsicht durchaus Unterschiede. So leisten Frauen eher Hilfe fürsorglicher Art, z.B. indem sie Kranke pflegen, Kinder betreuen oder ein offenes Ohr für seelische Nöte haben. Anders ist es bei technischen Pannen oder bei der Hilfe in akuten Notsituationen. Männer retten eher Menschen aus einem brennenden Haus oder Ertrinkende aus einem Fluss, und sie greifen auch eher ein, um einen Menschen vor einem gewalttätigen Angriff zu schützen (wobei hier dienstliche Einsätze, z.B. der Feuerwehr oder Polizei, nicht mitgezählt sind). Erneut zeigt sich also, wie wichtig es ist, die Kontextfaktoren mit zu beachten.
Auch für
aggressives Verhalten
lassen sich nur mit einer differenzierten Betrachtung fundierte Aussagen machen. So ist es wichtig, zwischen aktiven und reaktiven Aggressionsvarianten zu unterscheiden. Eindeutig häufiger verüben nämlich männliche Personen nicht provozierte, aktiv initiierte Angriffe, sei es, um Macht auszuüben oder sich zu bereichern, sei es aus purer Lust am Kämpfen oder Drangsalieren. Keine nennenswerten Unterschiede gibt es hingegen bei provozierten, ärgerbedingten Reaktionen. Mit Ärger gehen Frauen nicht «netter» um als Männer, so die Ärgerexpertin Hannelore Weber.
Differenzieren muss man auch hinsichtlich der äußeren Verhaltensformen. Bei
verbaler
Aggression gibt es keinen bedeutsamen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Indirekte,
versteckte
Formen (jemanden ausschließen, heimlich verleumden, Beschimpfungen per Internet usw.) kommen bei Mädchen bzw. Frauen anscheinend etwas häufiger vor.
Körperliche
Gewalt wird, aufs Ganze gesehen, tatsächlich überwiegend von männlichen Personen ausgeübt – aber das gilt nicht für jeden Kontext. Angriffe auf dem Schulhof, Gewaltkriminalität, Beteiligung an Krieg und Terrorismus – all dies ist größtenteils «Männersache». Im häuslichen Bereich hingegen ist der Unterschied gering, jedenfalls in westlichen Gesellschaften. Das betrifft nicht nur die Züchtigung und Misshandlung von Kindern. Auch Gewalt gegen den Partner verüben Frauen ebenso häufig wie Männer, wenn auch zum Teil in anderer Form (z.B. Werfen von Gegenständen) und mit geringeren Verletzungsfolgen. Zutage tritt dies allerdings nur in Studien zum sog. Dunkelfeld, die John Archer ausgewertet hat, und deren Befunde widersprechen nicht nur gängigen Vorstellungen, sondern auch der
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