Abschied von Eden
reißt. Der Wind kann hier ganz schön heftig werden.«
»Könnten Sie Linda Darcy für mich anrufen?«
»Was soll das Ganze?« fragte Annette.
»Rufen Sie sie bitte an.«
Annette stand auf, zögerte einen Augenblick, dann ging sie zum Telefon. Beim dreizehnten Klingeln hängte sie ein.
»Niemand da.« Ihre Stimme klang gebrochen.
»Wissen Sie, ob sie mit Luke zu dieser Imkerversammlung nach Fall Springs gefahren ist?«
Annettes Miene hellte sich auf. »Natürlich. Sie sind vermutlich alle da runtergefahren.«
»Würde Linda ohne Katie fahren? Die Kleine vielleicht bei einem Babysitter lassen?«
»Linda? Niemals. Katie ist ihr ein und alles. Linda nimmt sie sogar mit in den Heaven, wenn sie mal kurz ein Bier trinken will. Die ganzen Rocker kennen Katie mit Namen.«
Decker dachte einen Augenblick nach.
»Wer vertritt hier das Gesetz, Mrs. Howard?« fragte er.
»Das Gesetz?«
»Ja, das Gesetz. Gibt’s hier in der Gegend einen Sheriff?«
»Nein.« Annette schüttelte den Kopf. »Dazu sind wir zu klein.«
»Okay.« Decker dachte erneut nach. Es war eigentlich verfrüht, beim County Sheriff anzurufen, da er außer der Identität eines aufgefundenen Kindes nichts zu melden hatte. Aber wenn er es nicht tat, bestand die Gefahr, daß irgendein Idiot ihn beschuldigen würde, er hätte außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs gehandelt. Deshalb beschloß er, kurz beim County anzurufen, um sich Rückendeckung zu verschaffen. »Könnte ich mal kurz Ihr Telefon benutzen?« fragte er Annette.
»Klar«, flüsterte Annette. »Ist alles in Ordnung?«
Decker tat so, als ob er das nicht gehört hätte, und griff zum Telefon. »Wollen Sie nicht mal nachsehen, was Ihre Schwägerin und Detective Dunn machen?«
»Sie wollen nicht, daß ich mithöre, was?«
»Das stimmt«, antwortete er. »Gehn Sie bitte. Ich erzähl’s Ihnen später.«
Annette gab keine Widerrede. Eine Minute später waren alle drei Frauen wieder in der Küche. Decker flüsterte etwas in den Hörer, dann legte er auf.
»Das Kind heißt Katie Darcy«, sagte er zu Marge. »Ich hab’ gerade beim County Sheriff angerufen und kurz erklärt, was wir vorhaben. Ich warte jetzt auf den Rückruf. Das kann nur ein paar Minuten dauern.«
»Was geht hier vor?« fragte Darlene mißtrauisch.
»Detective Dunn und ich werden zur Ranch der Darcys rüberfahren«, sagte Decker. »Ist das nur geradeaus die Straße runter?«
»Ich kann Sie zu den Darcys bringen, wenn Sie wollen«, sagte Annette.
»Ich glaube, das ist keine gute Idee, Ma’am«, sagte Marge.
»Was soll das alles, Nettie?« fragte Darlene.
»Ich weiß auch nicht genau«, antwortete Annette.
»Katie Darcy wurde vor zwei Tagen herumirrend in einem Wohngebiet jenseits des Berges gefunden«, sagte Decker. »Wir haben versucht, ihre Eltern ausfindig zu machen. Und jetzt, da uns das gelungen ist, werden Detective Dunn und ich ihnen einen kleinen Besuch abstatten. Sie haben uns beide sehr geholfen. Vielen Dank.«
Darlene sah zu Annette, dann zu Decker. »Sie ist zwar eine Hexe, aber sie läßt das Kind keine Sekunde aus den Augen.«
»Das hat Ihre Schwägerin mir auch erzählt«, sagte Decker.
»Was ist denn da los?« bohrte Darlene.
»Das hoffen wir herauszufinden, Mrs. Howard«, sagte Marge.
Darlene runzelte die Stirn.
In der Küche wurde es still. Eine Minute verging. Diesmal fing Annette an, die Fingernägel abzukauen. Darlene massierte sich die Hände.
Dann sagte Decker: »Es wäre vielleicht besser, wenn wir an einem anderen Anschluß im Haus warten würden. Dann stören wir Sie nicht bei der Arbeit.«
»Kommt überhaupt nicht in Frage«, beharrte Darlene. »Setzen Sie sich. Ich hol’ Ihnen noch was Eistee.«
»Danke, Mrs. Howard …« sagte Marge.
»Darlene. Alle nennen mich Darlene.«
Wieder Schweigen. Annette wurde zusehends nervöser, dann stand sie auf und stellte das Radio an. Don Williams sang von der Tulsa Time. Decker summte mit.
Annette lächelte ihn an. »Und ich hab’ gedacht, Ihr Akzent wär’ nur aufgesetzt, damit Sie uns zum Reden kriegen.«
Decker lachte.
Annette band sich die Haare wieder zusammen. »Ich mag Don Williams. Er hat eine schöne Stimme.«
Decker nickte.
»Darlene hat mal George Jones getroffen«, sagte Annette.
»Ach, Nettie!«
»Na komm schon, erzähl’s ihnen«, drängte Annette.
»Das war doch nichts«, sagte Darlene. »Ist außerdem schon zwanzig Jahre her.«
»Erzähl’s ihnen trotzdem.«
»Nun ja«, sagte Darlene. »Byron spielte damals
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