Abschied von Eden
daß das Verbrechen in der Nacht oder während ihres Mittagsschläfchens geschehen ist. Wie gesagt, wir haben eine Stunde miteinander gesprochen. Jedenfalls hab’ ich seine Nummer, falls Sue Beth damit einverstanden ist.«
»Und wo ist denn unser Star?« fragte Decker.
Marge ging sie holen. Kurz darauf standen sie alle drei in der Einfahrt, und Marge machte Sue Beth und Decker miteinander bekannt.
»Ich möchte Ihnen mein aufrichtiges Beileid aussprechen, Mrs. Litton«, sagte Decker.
Sue Beth antwortete nicht, doch Decker sah, wie ihre Augen feucht wurden. Der Frau war der Verdruß am Leben ins Gesicht geschrieben. Vom Wetter gegerbte Haut und grüne Augen, die hart wie Jade waren. Sie hatte stark ausgeprägte, hohe Wangenknochen und war sehr blaß. Ihre Haare hatte sie straff nach hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden. Nur ihre vollen, blutroten Lippen gaben ihrem Gesicht einen Anflug von Weichheit. Vielleicht waren sie der einzige Teil ihres Gesichts, der je Zärtlichkeit gekannt hatte. »Wir haben alle notwendigen Papiere für Katies Entlassung …«
»Wann kann ich sie sehen?« unterbrach Sue Beth ihn. Ihre Stimme war fest und rauh.
»Gleich«, sagte Marge. »Wir müssen Ihnen erst noch ein paar Fragen stellen.«
»Hier?« fragte Sue Beth.
»Würden Sie lieber im Auto sitzen?« fragte Marge.
»Geht das denn nicht ein anderes Mal?« protestierte Sue Beth.
Decker schüttelte den Kopf, dann sagte er: »Ich seh’ mal nach Katie, ob alles in Ordnung ist.« Er klopfte Sue Beth beruhigend auf den Rücken. »Es wird nicht allzulange dauern.«
Nachdem Decker gegangen war, sagte Marge: »Ich möchte noch einmal sagen, daß es mir sehr leid tut, Mrs. Litton. Sie haben eine furchtbare Tragödie erlitten.«
Sue Beth schwieg, und Marge versuchte, die Situation abzuwägen. Man mußte bei jedem Menschen anders vorgehen. Viele trauernde Frauen suchten in einer solchen Situation den Kontakt. Doch Sue Beth zog sich in sich selbst zurück, und Marge überlegte sich, wie sie ihren Widerstand brechen könnte. Zunächst versuchte sie es mit Einfühlung, wie unwirklich einem das doch alles vorkommen müßte. Dann drückte sie erneut ihr Mitgefühl und ihr Bedauern über den schweren Verlust aus. Doch Sue Beth schwieg stoisch.
Dann werden wir eben dienstlich, dachte Marge.
»Ich werde Ihnen jetzt einige Fragen stellen, Mrs. Litton«, sagte sie. »Einige davon kommen Ihnen sicher merkwürdig vor, einige sehr persönlich und andere so, als ob ich etwas unterstellen würde. Bitte glauben Sie mir, das tue ich nicht. Ich versuche nur, mir ein vollständiges Bild zu machen, damit wir diesen Fall so schnell wie möglich klären können.«
»Fangen Sie an«, sagte Sue Beth. »Je schneller sie fragen, um so schneller kann ich Katie holen und nach Hause gehen … oder was davon übrig ist … O Gott, das ist ein absoluter Alptraum.«
Marge stimmte ihr zu. Dann nahm sie ihr Notizbuch heraus und bat Sue Beth, die Fahrt nach Fall Springs im einzelnen zu beschreiben. Mit monotoner Stimme berichtete die Frau, was diese Woche passiert war. Vor vier Tagen war sie gegen elf Uhr morgens mit B. B., ihrem Mann, und ihren Kindern zur Jahresversammlung der Western Beekeepers Association aufgebrochen. Luke war nicht zu Hause, als sie losfuhren, aber Carla und Linda. Sie verabschiedeten sich von den beiden, und alles schien normal.
»Wo waren Ihre Eltern?« fragte Marge.
»Pappy und Granny gaben Carla und Linda gerade die letzten Anweisungen wegen Earl. Sie wollten Earl zum ersten Mal seit ewigen Zeiten zu Hause lassen – Luke hatte angeboten, auf ihn aufzupassen. Aber offenbar haben sie es sich dann in letzter Minute doch anders überlegt und Earl mitgenommen.«
»Was könnte sie dazu veranlaßt haben?«
»Sehr wahrscheinlich hat Earl Theater gemacht. Er mag nicht, wenn man ihn von irgendwas ausschließt.« Sie hielt inne. »Hat Ihnen jemand das mit Earl erklärt?«
Marge bestätigte dies. Dann fragte sie Sue Beth, wann sie ihre Eltern bei der Versammlung getroffen hätte.
»Als wir ankamen, waren sie schon da«, sagte Sue Beth.
»Aber Sie haben doch gesagt, Sie wären vor ihnen losgefahren.«
»Oh, das hab’ ich vergessen. Wir sind unterwegs noch essen gegangen. In einem netten Lokal in La Mesa. Heißt Montequilla’s. Eine Art Familientradition, wenn wir runter nach Fall Springs fahren.«
»Ihre Eltern und Earl waren also bereits in Fall Springs, als Sie ankamen«, sagte Marge.
»Ja, Ma’am.«
»Sind Sie da ganz
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