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Abschiedskuss

Abschiedskuss

Titel: Abschiedskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Hellberg
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schaue mich um. Jetzt, wo wir die Malerutensilien weggeräumt haben, leuchten unsere weißen Wände in gähnender Leere.
    Nikita ist im Badezimmer und macht sich zurecht. Sie hat gebadet. Der fruchtige Duft ihres Shampoos vermischt sich mit dem Wasserdampf und dringt durch den Türspalt.
    Das Fenster ist weit geöffnet wegen des Farbgeruchs. Man kann förmlich sehen, wie die kühle Herbstluft mit ausholender Geste ins Zimmer greift, wie sie der warmen Luft des Badezimmers Einhalt gebietet und sie in Richtung Decke lenkt.
    Wasser läuft. Wird abgedreht. Läuft wieder. Konzentrierte Stille, das Klappern von Schminksachen. Nikita will ausgehen. Sie hat ein Date, und ich weiß nicht, mit wem. Ich weiß nur, dass es nicht Rupert ist. Nikita ist verschwiegen. Sie erzählt nur, wenn sie Lust dazu hat. Es ist, wie es ist. Vielleicht schaue ich später mal bei Ashley rein. Vielleicht essen wir dann zusammen zu Abend, ein Bier und ein Butterbrot oder Chinanudeln, die wir mit Wasser aus dem Wasserkocher zubereiten. Fernsehabend im Gemeinschaftsraum? Nein. Das ist wenig verlockend. Ich könnte auch einfach auf dem Zimmer bleiben, um den ganzen Abend zu lernen. Manchmal ist es ganz schön, etwas allein zu sein.
    Ich kratze mir Farbe vom Handrücken, schnipse sie weg und rufe Ciao, obwohl ich nicht weiß, ob Nikita mich hört. Dann verlasse ich das Zimmer.
    Als ich den Lichtschalter im Korridor drücke, passiert nichts. Der Gang bleibt dunkel, die Glühlampe ist durchgebrannt. Als ich bei der Portiersloge vorbeikomme, bleibe ich stehen und bitte Errol, die Glühlampe auszuwechseln, sobald er Zeit hat.
    Auf dem Weg zu dem kleinen Lebensmittelladen und auf dem gesamten Heimweg hänge ich einer lächerlichen Idee nach. Vielleicht sollte man es lieber einen Tagtraum nennen. Ich denke mir, dass ich nicht allein bin, dass ich zusammen mit jemandem die Straße entlanggehe. Mit einem jungen Mann. Ich gestatte mir keinen Blick aus der Nähe, weil ich nicht will, dass sich meine Fantasie auf allzu unwichtige Details konzentriert. Die sind überflüssig. Es genügt, dass er da ist, wie die rasch hingeworfene Skizze einer großen, dunkelhaarigen, vielleicht ein wenig ungepflegten Person. Jemand, der mich amüsiert anschaut und hören will, was ich zu sagen habe. Der bewusst kürzere und langsamere Schritte macht als sonst, damit wir nebeneinander laufen können. Weil er ganz nahe bei mir sein will. Vielleicht hat er sich erboten, mir die Einkaufstüte zu tragen? Nein, hat er nicht. Das würde er nie tun. Er hat sie mir auf eine vollkommen selbstverständliche Weise einfach abgenommen.
    Der Heimweg kommt einem viel kürzer vor, wenn man Gesellschaft hat. In diesem Tagtraum gibt es kein Messer, das in einen gestohlenen Slip eingewickelt ist.
    Als ich mit meinen Einkäufen unter den weit auseinanderliegenden Straßenlaternen zum Mill Creek Manor zurücklaufe, ist meine Nasenspitze eiskalt, und meine Zehen sind steif, aber ich fühle mich ziemlich ausgeglichen. Ob wohl Nikita das Fenster geschlossen hat, bevor sie gegangen ist? Was wäre mir lieber? Erfrieren oder an den Farbdämpfen ersticken? Ich könnte mir ebenfalls ein Bad einlassen.
    »Raymond hat gerade die Lampe in Ihrem Korridor repariert«, ruft Errol aus seiner Loge und winkt.
    »Vielen Dank. Das ging ja schnell«, antworte ich und eile die Treppe hinauf. Kaum habe ich das Gebäude betreten, beginnt meine Nase zu laufen.
    Klick.
    Klick.
    Klick-klick-klick.
    Ganz egal, wie wütend ich auf den Lichtschalter am Anfang des Flurs drücke und ob ich anfange, daran zu zweifeln, dass Raymond wirklich hier oben war, um während meiner Abwesenheit eine neue Glühbirne einzuschrauben: Der Korridor bleibt stockdunkel und merkwürdig still. Wie ein dunkler Tunnel dehnt er sich vor mir aus und scheint plötzlich mehrere Kilometer lang zu sein. Aus keiner der Türen dringt ein Laut. Nirgendwo fällt Licht aus einem Türspalt. Mill Creek Manor ist eine verlassene Höhle. Nein. Ein unterirdisches Grab.
    Ein stechender Schmerz im Magen. Etwas ist nicht in Ordnung. Es ist, als hätte man den Nordflügel evakuiert, aber vergessen, mir Bescheid zu sagen. Ich muss mich allein retten.
    Gleichzeitig weiß ich, dass ich mich in etwas hineinsteigere. Ein kleiner ferner Teil meines Bewusstseins kann nüchterne, rationale Gedanken fassen und mit klarer, deutlicher Stimme von einem tief in meinem Inneren verborgenen Punkt aus vernünftige Fragen stellen.
    Was soll ich tun? Runter zum Portier laufen und ihn bitten,

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