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Abschiedskuss

Abschiedskuss

Titel: Abschiedskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Hellberg
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Telefon, wie er einen Schluck trinkt. Vermutlich Kaffee. Er hat einen Breifleck auf dem Ärmel und vielleicht auch etwas Rotz.
    »Wie geht es dem Kleinen?«, frage ich. »Erkältet?«
    Steve lacht erstaunt.
    »Und wie! Jetzt schon den dritten Tag. Der arme Kleine. Woher wussten Sie das?«
    »Nun«, beginne ich, »jetzt sind doch alle erkältet.«
    Steve King sagt nichts, aber ich spüre, dass er lächelt und den Kopf schüttelt.
    »Steve, was hat eigentlich dieser Obdachlose in Brighton gesagt? Pete, im Café? Was hat er gesehen? Ich weiß, dass Sie nichts erzählen dürfen, aber … hat es was ergeben? Für die Ermittlungen?«, frage ich.
    Jetzt lächelt er nicht mehr.
    »Ich darf tatsächlich nicht erzählen, was er gesagt hat. Möglicherweise hat es etwas ergeben, aber eigentlich darf ich nicht einmal so viel sagen«, brummt King.
    »Danke«, erwidere ich. Vor der Telefonzelle schlendert ein Typ mit Hund vorbei und starrt mich neugierig von oben bis unten an. Ich senke die Stimme und fahre fort:
    »Und mein Gefühl? Dass meine Mutter in Oxford war? Dass sie eine Verbindung hierher hatte? Ist das etwas, womit Sie weitergekommen sind? Wenn dem so ist, antworten Sie am besten einfach gar nicht, okay?«
    Am anderen Ende bleibt es still.
    »Danke, Steve. Noch eine letzte Frage, aber auch die brauchen Sie nicht zu beantworten. Ich kann das gut verstehen.«
    »Schießen Sie los«, sagt er kurz.
    Ich werfe dem Mann mit dem Hund einen scharfen Blick zu, und es funktioniert. Sie trotten davon.
    »Waren Sie etwa 1984 als frisch examinierter Polizist in Oxford stationiert?«, frage ich.
    »Ja, wie zum Teufel … Entschuldigen Sie, aber das war ich in der Tat. Jetzt bekomme ich aber wirklich eine Gänsehaut. Warum wollen Sie das wissen? Woher können Sie das überhaupt wissen?«
    »Hatten Sie mit den Todesfällen im Mill Creek Manor zu tun? Vier junge Mädchen?«
    »Ja«, antwortet King gedämpft.
    »Können Sie mit mir darüber sprechen?«
    »Eigentlich nicht. Warum interessiert Sie diese alte Tragödie?«
    Ich drücke meine Faust in die Augenhöhle und schließe die Augen.
    »Ich wohne im Mill Creek Manor.«
    Er holt Luft und pfeift leise.
    »Mord?«, frage ich.
    »Nein. Es gab keinen Grund für eine Anklage.« Seine Stimme ist tonlos.
    »Kollektiver Selbstmord?«
    Sein zweites Nein kommt nicht ganz so schnell.
    »Sie glauben also, dass vier junge, gesunde Frauen, die sich kannten und sich täglich trafen, einfach zusammenbrachen und starben – alle zusammen – aus ganz natürlichen Gründen und innerhalb von wenigen Stunden? Während einer Party und in derselben Nacht. Sie glauben also, dass alles nur ein unglücklicher Zufall war?«, frage ich.
    »Nein«, sagt Inspektor King und seufzt tief. »Ich weiß nicht recht, woran ich glauben soll. Außer dass Liebe und gutes Essen das Leben erträglicher machen. Aber eines weiß ich sicher. Im Zusammenhang mit polizeilichen Ermittlungen spielen Zufälle nur selten eine Rolle.«
    Ich stütze mein Kinn in die Hand und starre drei Sekunden lang ins Leere, ehe ich wieder zu sprechen beginne.
    »Aber man muss bei den Toten doch Proben entnommen haben? Ließen die denn keine Schlüsse zu? Junge, gesunde Menschen brechen doch normalerweise nicht einfach so zusammen und sterben?«, sage ich.
    »Das war ja gerade das Beschissene«, sagt King tonlos, und ich zucke zusammen, als er diesen rüden Ausdruck gebraucht.
    »Es wurden unzählige Proben entnommen. Aber das Labor, die Kühlanlage, in der die Proben verwahrt wurden, brach vollkommen zusammen. Es gab einen unbeschreiblichen Sturm, der die gesamte Stromversorgung lahmlegte. Ein Tornado. Ich glaube, der Blitz schlug über zwanzig Mal ein. Ein gewaltiger Kurzschluss, ein Wachmann wurde schwer verletzt. Zehntausende von Proben wurden unbrauchbar.«
    Wir schweigen beide eine Weile, aber ich weiß, dass er noch dran ist. Ich lausche dem Rauschen der Leitung. Nach einer Weile wird das Geräusch hypnotisch wie das Meer.
    »Ich weiß nicht, ob ich nicht lieber an den Zufall glauben mag«, sage ich schließlich fast flüsternd. »Aber Sie, Steve? Glauben Sie an Hexen?«
    »Nein«, erwidert er, und seine Stimme ist heiser und traurig, als er fortfährt: »Sie sollten jedoch wissen, dass sich sämtliche Polizistinnen, die Mill Creek Manor im Laufe der Ermittlungen betreten haben, unverzüglich richtig schlecht fühlten. Sie mussten sich krank schreiben lassen und so. Auch in dieser Sache haben wir nie eine Antwort erhalten, da die entsprechenden

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