Abschlussfahrt
anderen zurückfallen.
»Was ist denn?«, frage ich ihn.
»Nele und du.« Er grinst mich an. »Da läuft doch was, oder?«
Ich hab’s geahnt. Die Gerüchteküche brodelt. Wobei das bei uns in der Klasse wohl eher eine Gerüchte-Mikrowelle zu sein scheint, so schnell geht das. Aber nicht mit mir.
»Was?«, erwidere ich entrüstet. »Quatsch! Wer erzählt denn so einen Mist?«
»Ach, komm schon!« Er boxt mir kumpelhaft gegen die Brust. »Mir kannst du’s doch erzählen.«
»Was soll ich dir denn erzählen? Es gibt nichts zu erzählen. Wie kommst du denn darauf, dass es etwas zu erzählen gibt?«
»Ey, komm, das ist ja wohl mehr als offensichtlich. Das ständige Händchen- und Im-Arm-Halten in Pisa heute. Zusammen beim Pokern aufs Zimmer verschwinden. Und gerade eben noch das Rumgeknutsche. Eindeutiger geht’s ja wohl kaum.«
»Also, erst mal war das in Pisa deshalb, weil Nele Höhenangst hat. Nur und ausschließlich deswegen habe ich sie auf dem Turm im Arm gehalten, quasi aus reiner Nächstenliebe.«
»Ach, so war das.« Seba grinst. »Und als wir dann vom Turm wieder runter waren, hatte sie ganz plötzlich Erdbodenangst, oder warum hast du sie da immer noch festgehalten?«
»Ach, das waren doch nur die Nachwirkungen«, winke ich ab. »Außerdem habe nicht ich sie festgehalten, sondern sie sich an mir. Und von wegen zusammen beim Pokern aufs Zimmer verschwinden: Das Einzige, was wir dort gemacht haben, war Wodka-O zu mixen.«
Und uns gegenseitig die Finger in den Mund zu stecken und abzuschlecken. Aber wenn ich ihm das erzähle, explodiert die Gerüchte-Mikrowelle garantiert, muss nicht sein.
»Und das gerade eben war auch kein Rumgeknutsche, sondern ein simpler Abschiedskuss«, schließe ich mein Plädoyer. »Du siehst: alles ganz harmlos und normal. Kein Grund, hier irgendwelche Gerüchte zu verbreiten.«
»Ich will doch überhaupt keine Gerüchte verbreiten!«, erwidert Seba. »Ich wollte nur mal nachfragen, als guter Freund.«
»Dann sage ich dir jetzt als guter Freund noch mal klipp und klar, dass da nichts läuft zwischen Nele und mir, okay?«
»Okay, okay«, gibt sich Seba geschlagen. »Ist eigentlich schade. Ihr zwei wärt nämlich ein tolles Paar.«
»Sind wir aber nicht. Ende der Diskussion. Oder soll ich dich fragen, wie es mit Yvonne läuft?«
»Nein, lieber nicht«, seufzt er.
»Na also.« Ich ziehe ihn in Richtung Bad.
Eine Viertelstunde später liegen wir alle in unseren Betten. Wuttke schaut noch mal kurz herein, um uns daran zu erinnern, dass wir morgen früh wieder um sechs Uhr aufstehen müssen. Dann geht das Licht aus. Und es bleibt erstaunlicherweise ruhig. Kein Geflüster mehr, keine dummen Witze, anscheinend sind die anderen genauso platt vom Tag wie ich.
Ich schließe die Augen. Schlafen. Nur noch schlafen. An nichts mehr denken. Vor allem nicht an irgendetwas Aufregendes. Meine Finger in Neles Mund. Verdammt! Genau daran wollte ich eben nicht denken. Aber meine Finger anscheinend. Hört auf damit! Vergesst es einfach! Das wird nie wieder passieren!
Ich kann ganz deutlich spüren, wie sich ihre Zunge um meinen Zeigefinger wickelt. Und jetzt sehe ich es auch noch vor mir. Äußerst unplatonischer Anblick. Zumindest für den Teil meines Körpers, der nicht unbedingt für seine Fähigkeit zu denken bekannt ist. Und schon hat meine Bettdecke eine Beule. Fuck! Nein, nicht Fuck, das macht es nur noch schlimmer. Mist, verdammter! Wie soll man denn bitte schön mit einem pochenden Ständer einschlafen? Schnell an etwas absolut Unerotisches denken. Leichter gesagt als getan. Mein Gehirn hat sich anscheinend an dem Bild von Nele aufgehängt. Sosehr ich es auch versuche, es verschwindet einfach nicht. Ich versuche dem Bild möglichst unerotische Untertitel zu geben. Platonisch. Unsexy. Freundschaft. Nein, das funktioniert auch nicht, die Untertitel erscheinen auf Chinesisch. Meine rechte Hand macht sich selbstständig und schiebt sich langsam auf die Mitte meines Körpers zu. Ja, das könnte dir so passen! Aber nicht mit mir! Meine linke Hand gehorcht mir zum Glück noch, und ich benutze sie, um die rechte zu packen und auf meine Brust zu legen. So, ganz ruhig jetzt, tief durchatmen, volle Konzentration auf unerotische Gedanken. Nele. Finger. Zunge. Verdammt! Meine rechte Hand bewegt sich wieder südwärts. Moment mal! Noch habe ich nichts entschieden! Kommando zurück! Da gilt es zuerst noch die Risiken abzuwägen. Allen voran die technischen. Wichsen erfordert rhythmische
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