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Abschlussfahrt

Abschlussfahrt

Titel: Abschlussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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also lieber gewesen, wir hätten die Handtasche geklaut? Aber Herr Wuttke, das müssen sie uns doch nur sagen! Kein Problem, dann übernehmen wir das eben ab morgen. Wie viele Handtaschen hätten Sie denn gerne?«
    Wuttke lacht, wenn auch etwas gequält.
    »Aber mit an den Strand dürfen die Mädels morgen schon, oder?«, fragt Seba vorsichtig.
    »Na ja, verdient haben sie es nun wirklich nicht«, seufzt Wuttke. »Aber das entscheide ich endgültig morgen früh. Da muss ich erst noch mal drüber schlafen. Und genau das werdet ihr jetzt auch tun. Wer noch mal ins Bad muss, los. In einer Viertelstunde ist das Licht aus.«
    Und das ist es dann auch. Was für ein Tag. Ich bin mehr als müde.
    Wenigstens werde ich heute keine Probleme haben einzuschlafen. Henny und Nele lassen mich in Ruhe. So eine Dusche mit ein bisschen Selbstbeteiligung wirkt doch manchmal Wunder. Wobei der Geschmack von Neles Lippen langsam auf meine zurückzukehren scheint. Egal. Schlafen. Jetzt. Gute Nacht.

6
    »Carrara-Marmor ist eine der berühmtesten Marmorsorten weltweit. Diese Steinbrüche hier wurden vor etwa zweitausend Jahren entdeckt.«
    Okay. Aber was hat das bitte schön mit dem Strand zu tun? Ich dachte, wir fahren an den Strand? Das ist kein Strand hier, das sind Berge. Berge aus Marmor. Am Strand ist kein Marmor, am Strand ist Sand. Vielleicht hätte ich doch besser aufpassen sollen, als das Programm für die Abschlussfahrt vorgestellt wurde. An den Namen Carrara kann ich mich noch dunkel erinnern, aber gleich danach kam irgendwie das Wort Strand, darum bin ich wohl davon ausgegangen, dass Carrara ein Badeort ist, ist es aber offensichtlich nicht.
    »Der Abbau des Marmors war früher natürlich schwieriger als heute«, fährt Wuttke fort. »Zur Römerzeit wurden noch Löcher in die Felsen gebohrt, und in diese Löcher steckte man Holzpflöcke, die man mit Wasser übergoss. Das nasse Holz dehnte sich aus und brach so ein Stück Marmor aus dem Berg.«
    Ja, tolle Geschichte, die alten Römer. Die hingen bestimmt auch lieber am Strand ab, als sich hier Steine anzugucken.
    »Ich will später mal ein Bad aus Marmor, Schatz«, säuselt Yvonne.
    »Kriegst du, Schatz«, säuselt Seba zurück.
    »Danke, Schatz«, säuselt sie weiter und reckt ihm ihre Lippen zum Kuss entgegen.
    Also, sosehr ich mich für Seba freue, wirklich freue, wenn ich noch einmal das Wort »Schatz« höre, muss ich den beiden leider unverzüglich den Hals rumdrehen. Das geht schon den ganzen Morgen so. Schatz hier und Schatz da und Schatz überhaupt, frisch Verliebte können echt die Pest sein.
    »Heutzutage wird Marmor gesägt«, sagt Wuttke. »Und zwar mit langen Stahlseilen, die außen mit Industriediamanten besetzt sind. Sie schneiden den Marmor in riesige Blöcke, und so wird er dann abtransportiert.«
    Ja, super. Wie wäre es, wenn uns mal eben jemand abtransportiert und am nächsten Strand rauslässt? Das Wetter ist so klasse heute, strahlender Sonnenschein, bestimmt an die siebenundzwanzig Grad, perfekte Strandbedingungen, und wir hängen hier am Steinbruch rum, das ist doch reinste Verschwendung!
    »Jetzt habt ihr noch die Gelegenheit«, beendet Wuttke seinen Vortrag, »euch dort drüben in dem Laden den berühmten Carrara-Marmor in verarbeiteter Form anzuschauen und eventuell ein kleines Souvenir zu kaufen. In einer Viertelstunde fahren wir dann weiter ans Meer, nach Viareggio.«
    Na also, geht doch! Warum nicht gleich so?
    In diesem Souvenirshop gibt es allerlei Kitsch und Nippes aus Marmor, schweineteuer teilweise. Ich überlege kurz, ob ich meiner Mutter eine Kleinigkeit kaufen soll, lasse es aber. Das Geld kann besser angelegt werden, in Bier zum Beispiel, schließlich steht heute Abend ja noch ein kleines Fest an.
    »Oh, das ist aber süß!«, fiept Yvonne laut durch den ganzen Laden. »Guck mal, Schatz! Schenkst du mir das?«
    Sie streckt Seba ein kleines weißes Herz aus Marmor entgegen.
    »Aber nur, wenn du es auch immer bei dir trägst, Schatz.« Seba lächelt sie an.
    »Aber natürlich, Schatz«, fiept sie zurück. »Für immer und ewig.«
    Ich glaube, mir wird schlecht. Man könnte sie auch mit einem dieser Miniatur-Marmorblöcke da drüben im Regal erschlagen. Und jede Wette, der Freispruch ist mir sicher, das wäre reine Notwehr.
    Kurz darauf nehme ich wieder im Bus Platz, und zwar einige Reihen hinter Romeo und Julia, sonst bringe ich sie wirklich noch um.
    Die Fahrt dauert nicht lange, der Busfahrer lässt uns an der Strandpromenade von Viareggio

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