Abschlussfahrt
raus.
Schon beim Aussteigen spürt und riecht man es ganz deutlich: Hier ist das Meer. Der Himmel hat sich mittlerweile leicht zugezogen, aber das ist jetzt auch egal. Strand, wir kommen! Allerdings nicht, bevor Wuttke einen Riesenschwall von Regeln über uns ausgeschüttet hat. Alle zusammenbleiben. Niemand entfernt sich unabgemeldet von der Gruppe. Keine Wertsachen unbeaufsichtigt lassen. Nicht allein ins Wasser gehen. Nicht zu weit rausschwimmen. Nach etwaig ertrinkenden Mitschülern Ausschau halten und gegebenenfalls die Rettungsschwimmer alarmieren. Fische und andere Meeresbewohner sind grundsätzlich in Ruhe zu lassen. Nicht ins Meer pinkeln. Das andere erst recht nicht. Fliegende Händler nicht mit Sand bewerfen, sondern höflich ignorieren. Abfälle nicht vergraben, sondern ordentlich in den dafür vorgesehenen Behältern entsorgen. Sonnenschutz nicht vergessen. Beim Rücken eincremen gegenseitig helfen. Aber nur gleichgeschlechtlich! Niemanden bis zum Kopf oder tiefer im Sand vergraben. Fremde Sandburgen sind nicht als Kriegserklärung zu betrachten und zu respektieren. Ein verlassener Strandkorb geht nicht automatisch in Klasseneigentum über. Tretboote sind nicht zum Entern und Umkippen da. Oberstes Ziel: dem schlechten Klischee des gemeinen deutschen Touristen nicht gerecht zu werden. Botschafter unseres Landes. Bla, bla, bla und so weiter und so fort.
Dann stürmen wir endlich den Strand. Dank des bewölkten Himmels ist es nicht sehr voll. Natürlich bilden sich schnell dieselben Grüppchen wie immer. Auf dem Sand ausgebreitete Handtücher stecken die Territorien ab. Das große Ausziehen beginnt. Die Mädels haben ihre Bikinis schon drunter und entledigen sich ihrer restlichen Klamotten.
Bei Gott! Henny im Bikini, sensationell, ich wusste es! Aber lieber nicht zu lange hingucken, das führt sonst nur zu einem Engpass in der Leistengegend, und den kann ich gerade absolut nicht gebrauchen.
Ich trage meine Badehose auch schon drunter und brauche nur aus Jeans und T-Shirt schlüpfen. Einzig Adrian muss noch wechseln, was er sehr umständlich unter einem viel zu kleinen Handtuch versucht hinzukriegen. Als er fertig ist, offenbart sich uns die älteste Badehose der Welt. Oder zumindest der Neuzeit. Sie ist uralt, zwei Größen zu klein und stellenweise total zerlöchert. Mit Sicherheit auch ein Andenken seiner Mutter. Zu seinem Glück hält sich der Spott in Grenzen, da alle schnell ins Wasser wollen.
Nele nimmt mich an die Hand und zieht mich in Richtung Brandung. Wobei, so viel brandet da jetzt nicht unbedingt, das ist das Mittelmeer, da schwappen höchstens mal ein paar Miniwellen an den Strand. Aber egal, wir stürzen uns in die Fluten, das heißt, ich stürze in die Fluten, während Nele zurückbleibt.
»Kalt! Kalt! Kalt!«, quiekt sie und hüpft hektisch von einem Bein aufs andere.
Stimmt, sie hat Recht, das Wasser ist echt noch ziemlich kalt. Was ich aber selbstverständlich nicht zugeben werde.
»Ach komm, jetzt stell dich nicht so an!«, rufe ich ihr zu. »Spring einfach rein! Kurz und schmerzvoll, dann geht’s schon!«
»Du hast gut reden!«, ruft sie zurück. »Du bist ja schon drin!«
»Eben! Und wie du siehst, lebe ich noch! Los, komm schon! Es ist echt klasse, wenn man erst mal drin ist!«
Zur Demonstration tauche ich unter und schwimme ein Stück auf sie zu.
»Siehst du?«, sage ich, als ich wieder auftauche. »Ich lebe immer noch. Los jetzt, komm schon! Das ist echt supererfrischend!«
»Nein danke!«, bibbert sie. »Mir ist es hier schon erfrischend genug!«
»Na gut. Du wolltest es nicht anders!«
Ich hechte auf sie zu und schaufle mit beiden Händen Wasser in ihre Richtung.
»Hey!«, quiekt sie und weicht zurück. »Spinnst du? Hör auf damit!«
Sie versucht an den Strand zu flüchten, aber ich erwische sie am Arm und halte sie fest.
»Iiiiiih! Geh weg! Du bist ganz nass und kalt! Hilfe!«
Wir rangeln ein bisschen, dann schaffe ich es schließlich, sie auf meine Schultern zu hieven. Sie strampelt wie verrückt, trifft mich aber nicht, will sie auch gar nicht wirklich, glaube ich.
Ich laufe ein paar Meter mit ihr auf dem Rücken ins Wasser, sie weiß genau, was jetzt kommt, und quiekt nur noch, weil es dazugehört. Dann werfe ich sie hinein. Nein, das wäre übertrieben, so viel Kraft habe ich nun wirklich nicht. Ich lasse sie einfach von meinen Schultern gleiten, und sie plumpst ins Wasser.
»Oh, na warte!«, lacht sie, als sie wieder auftaucht. »Das wirst du mir
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