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Abschlussfahrt

Abschlussfahrt

Titel: Abschlussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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büßen!«
    Ich starte die Flucht in tiefere Gewässer, sie mir hinterher. Der beste Schwimmer war ich nie, es reicht gerade so, um nicht unterzugehen. Nele war mal Jugendmeisterin von irgendwas im Schwimmverein. Ich habe nicht die geringste Chance, mein kleiner Vorsprung ist schnell dahin, sie packt mich am Knöchel meines linken Beins und zieht mich nach unten. Wir kämpfen lachend miteinander, es geht hin und her, sie tunkt mich, ich tunke sie, sie ist sehr geschickt, die meiste Zeit verbringe ich unter Wasser.
    »Halt! Stopp!«, rufe ich, als mir irgendwann die Puste ausgeht. »Kurzer Waffenstillstand! Ich kann nicht mehr!«
    Sie lässt von mir ab. Wir sind mittlerweile in einer Tiefe angelangt, in der wir beide nicht mehr stehen können, und schwimmen etwa einen Meter voneinander entfernt auf der Stelle.
    »Was denn?«, fragt sie. »Du gibst schon auf?«
    »Wer hat denn was von Aufgeben gesagt? Ich brauche nur kurz Zeit, um meine Taktik zu überdenken.«
    »Ach so, du hast eine Taktik. Hab ich gar nicht gemerkt.«
    »Da siehst du mal, wie gut sie ist. Die beste Taktik ist die, die man nicht als Taktik erkennt.«
    »Falsch. Die beste Taktik ist immer noch ein Überraschungsangriff!«
    Sie schnellt auf mich zu, schlingt ihre Beine um meinen Körper, nimmt meinen Kopf zwischen beide Hände und verschließt meinen Mund mit ihren Lippen. Das ist allerdings eine Überraschung!
    Wir gehen zusammen unter, und das Einzige, was jetzt noch miteinander kämpft, sind unsere Zungen. Wobei, nein, sie kämpfen nicht, sie spielen nur. Ein schönes Spiel, muss ich feststellen. Auch, wenn es mich ziemlich verwirrt, weil es alles andere als platonisch ist. Ein sehr schönes Spiel. Nur zu dumm, dass man zum Küssen auch Sauerstoff braucht. Als uns die Puste ausgeht, stoßen wir uns mit den Beinen vom Boden ab und tauchen auf.
    »Das … das war …« Ich schnappe nach Luft. »Das war wirklich überraschend.«
    »Wieso?« Nele lächelt. »Ich dachte, wir sind zusammen? Und so was macht man doch, wenn man zusammen ist, oder?«
    Hä? Jetzt kapier ich aber mal gerade gar nichts. Wir sind zusammen? Hab ich da irgendwas verpasst? Wann ist das denn passiert? Oder habe ich etwa Wasser in den Ohren und mich verhört?
    »Äh …«, sage ich mit einem großen Fragezeichen auf der Stirn. »Was sind wir?«
    »Zusammen. Du und ich. Ein Paar. Liebe und so. Romeo und Julia. Susi und Strolch. Seba und Yvonne. Zusammen eben.«
    Okay, ich habe mich also nicht verhört. Umso verwirrender ist das alles.
    »Äh … und warum weiß ich davon nichts?«
    »Ach komm, jetzt tu doch nicht so. Du hast es doch längst vor mir gewusst. Ich hab es doch quasi erst von dir erfahren.«
    Wie bitte, was? Von mir? Kann nicht sein, das wüsste ich doch. Oder? Nein, so besoffen, dass ich einen Filmriss hätte, war ich auf der ganzen Fahrt noch nicht.
    Aber wie kommt sie dann bitte schön darauf, dass ich gesagt hätte, wir seien zusammen? Sie ist verrückt geworden. Genau, das muss es sein. Es gibt keine andere Erklärung. Wir waren zu lang unter Wasser und der Sauerstoffmangel ist ihr aufs Gehirn geschlagen. Arme Nele.
    Sie fängt laut an zu lachen und geht dabei kurz unter. Sag ich doch, verrückt.
    »Haha!«, lacht sie weiter, als sie wieder auftaucht. »Du müsstest mal dein dummes Gesicht sehen! Genauso habe ich gestern Abend auch geguckt, als Yvonne mir gratulieren wollte, weil es endlich mit uns beiden geklappt hat!«
    Aha, okay, jetzt kommen wir der Sache doch ein bisschen näher. Yvonne also. Das Ganze ist demnach auf ihrem Mist gewachsen. Bleibt nur noch die Frage, was das soll? Wunschdenken? Zu viele Liebeshormone? Versucht sie vielleicht den Rest der Klasse nach und nach damit anzustecken und das Schatz-Virus zu verbreiten? Schreckliche Vorstellung.
    »Yvonne hat gesagt, dass wir zusammen sind?«, frage ich.
    »Nein«, antwortet Nele. »Yvonne hat gesagt, du hast gesagt, dass wir zusammen sind.«
    Auf gar keinen Fall. Das wüsste ich. Yvonne lügt. So einfach ist das. Sie lügt.
    »Das stimmt überhaupt nicht!«, stelle ich klar. »Wieso sollte ich denn so was sagen? Außerdem habe ich mit ihr noch nie auch nur annähernd über dich gesprochen! Keine Ahnung, warum sie so einen Mist erfindet. Die spinnt doch.«
    »Sie hat nicht gesagt, dass du es zu ihr gesagt hast.«
    Wie jetzt? Zu wem denn dann? Das werden ja immer mehr, die glauben, dass wir zusammen sind. Und von mir kommt das mit absoluter Sicherheit nicht. Wieso sollte ich denn so was auch behaupten?

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