Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall
oder neben die blau-rosa
Fans stellen müssen und das halte ich für komplett unmöglich.«
»Die
hätten ihn sich geschnappt!«, nickte Nazmi.
Latife
klapperte mit ihrer Handtasche, doch die Männer merkten es nicht.
»Zumindest
hätten sie ihn auf jeden Fall bemerkt und mindestens zwanzig Augenpaare wären
seinen Bewegungen gefolgt. Er hätte kaum in Seelenruhe einen Pfeil auspacken
und auf Rocco schleudern können, ohne dass es Aufruhr gegeben hätte.«
»Wenn
da so viel los war, mein Sohn, wie kannst du sicher sein, dass Rocco Erdmann
auf jeden Fall das Ziel des Attentats war? Vielleicht hat der Täter nur
schlecht gezielt?«
Kadir
starrte seinen Vater an.
»Das
stimmt!«, fuhr er langsam fort und schüttelte den Kopf. »Da hast du einen
Punkt! Wir sind alle so fixiert auf Rocco, da er schon einige Attacken hinter
sich hat… aber diese hier hat ihn körperlich beeinträchtigt, etwas, was der
Stalker bisher noch nicht getan hat. Es könnte also noch jemand anderes im
Spiel sein. Und jemand anderes gemeint haben. Oder der Stalker schaltet um in
Phase Zwei, denn wir wissen, dass er hier irgendwo in Dereköy ist. Er hat der
Sekretärin des Sportdirektors eine Postkarte geschrieben, abgestempelt in
Dereköy vor fünf Tagen. Er schreibt, wie schön es hier ist, das Wetter sei im
Moment noch unbeständig, aber man erwarte Besserung. Er freue sich auf die
Mannschaft und besonders auf Rocco. Darunter hat er einen Bären mit blutendem
Herzen gemalt. Die Sekretärin informierte Piet van de Boldt, kurz nachdem die
Maschine gelandet war.«
»Mmmh.
Wenn der Pfeil aus der blau-rosa Ecke kam, dann könnte es doch auch einer von
denen gewesen sein.«
»Aber
warum? Kaum ein Spieler wird von den eigenen Fans so vergöttert wie das
Erdmännchen! Aber ich hatte deinen Gedanken natürlich auch schon, zumal der
Stalker sich hinter einer liebenden, begeisterten Maske verbergen kann. Naja,
dank Seda habe ich zumindest die Namen der Wild Boys von Bütte, die hier
angereist sind, und weiß, wo sie abgestiegen sind. Gleiches gilt für die
Grün-Weißen. Ich lasse sie eben von meinen Ex-Kollegen in Köln überprüfen, ob
sie auf irgendwelchen schwarzen Listen stehen oder sonstwie auffällig geworden
sind.«
Nazmi
nickte und betrachtete seinen Sohn mit unverhohlenem Stolz. Latife, die es kaum
ausgehalten hatte, so lange missbilligend zu schweigen und gleichzeitig ein
unbeteiligtes Gesicht zu machen, platzte nun heraus:
»Der
Arzt, der diesen mit Pfeilen gespickten Menschen behandelt hat, meinst du, ich
könnte ihn einmal aufsuchen? Seit dem Sommer, seit diese Touristin kopflos im
Pool gefunden worden ist, habe ich dieses entsetzliche Reißen und Ziehen am
Hals, aber nur von außen. Hatun und Ayse haben es auch und niemand kann uns
helfen! Und wenn das so ein Wunderdoktor ist, der sogenannte Stars, pffff, ihr
wisst, was ich darüber denke, behandelt, und nachdem wir nun keine Ärztin in
die Familie bekommen haben und…«
Ein
simultanes Räuspern brachte sie zum Schweigen und erinnerte sie daran, dass
dieses Thema besser nicht angeschnitten wurde. Latife Bülbüls Versuche, ihren
Sohn unter die Haube zu bringen, hatte sie dazu gebracht, ihm immer weitere
Heiratskandidatinnen vorzustellen. Die Letzte dieser Kandidatinnen war die
Ärztin Nevin Arslan gewesen und nachdem dieses Kapitel beendet war, hatte es
sich Kadir ein für alle Mal verbeten, dass seine Mutter sich in diesen Bereich
seines Lebens einmischte. Latife hatte demütig zugestimmt, sich aber sogleich geschworen,
dass sie es zukünftig geschickter und nicht mehr ganz so offensichtlich
anfangen würde ihren Sohn zu verkuppeln.
Und
dann hatte Kadir aus eigenen Stücken eine Frau zum Essen mit nach Hause
gebracht, seine Kollegin Seda Güven. Nach einem Krankenhausaufenthalt leicht
entstellt, hatte Seda am Tisch gesessen und Ex-Kommissar Schmalfuß, der mit von
der Partie war, Nazmi und Onkel Yusuf mit Geschichten aus Afrika entzückt, wo
sie mit ihrem Vater drei Jahre gelebt und sich beim Sturz von einem
Affenbrotbaum eine ähnlich abscheuliche Kopfwunde wie die derzeitige zugezogen
hatte. Kadir hatte die junge Frau seiner Mutter ausdrücklich als gute Freundin,
als Kumpel, vorgestellt, und auch wenn Latife nicht verstand wie Männer und
Frauen einfach nur Freunde sein konnten, so hatte sie es doch hingenommen und
angesichts von Sedas zugeschwollenem Auge, dem von grünen und gelben Hämatomen
überzogenen Wangen und dem dicken Pflaster auf der Stirn nicht in Frage
gestellt.
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