Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall
Fortschritte!«
»Katze?
Tatsächlich? Nun denn, Katze, Schaf, was soll’s? Kleiner Fauxpas, durchaus
verständlich und wenig aufsehenerregend. Ich übe noch. Benim adim Herbert Schmalfuß. Mein Name ist Herbert Schmalfuß. Soviel jedenfalls ist
sicher.«
Bei
der Aufklärung des Falls vom letzten Sommer mit Seda und Kadir war sich Herbert
Schmalfuß des Öfteren des Mankos seiner fehlenden Türkischkenntnisse bewusst
geworden. Während Seda und Kadir zwischen den Sprachen hin- und herjonglierten,
stand der Ex-Kommissar so manches Mal im Abseits und war auf ihre Hilfe
angewiesen. Dieser Zustand war ihm äußerst unangenehm, und so hatte er sich
geschworen, sich im nächsten Anfängerkurs für Türkisch in der Volkshochschule
in Hamburg-Winterhude anzumelden. Während des vergangenen Herbstes saß er jeden
Nachmittag am Küchentisch, hatte die fremden Wörter, die er bedächtig in ein
altes Vokabelheft malte, wieder und wieder vor sich hingemurmelt und sich
seiner Aussprache wegen leise gerügt. Ab und an war er mit dem Bus einige
Stationen Richtung Norden gefahren, um seine neuen Kenntnisse in einem
türkischen Gemüseladen auszuprobieren. Früher, dachte er bei diesen
Gelegenheiten, hatte es solche Läden auch in seinem eigenen Viertel gegeben,
doch nun war alles schick geworden und mit Yoga-Studios und Coffee Shops
gepflastert. Langsam wurde es Zeit sich zu überlegen, ob er nicht sein Bündel
schnüren, die von seiner Mutter ererbte Wohnung an irgendein Anwaltsehepaar
verkaufen und gänzlich nach Dereköy übersiedeln sollte. Doch noch war er nicht
bereit sich in der Küche, in der er bereits als Volksschüler seine Hausaufgaben
gemacht hatte, ein in Kaschmir und Seide gewandetes Ehepaar vorzustellen,
Prosecco in der einen, Hummerzange in der anderen Hand.
» Güzel
deniz «, sagte Herbert Schmalfuß und deutete auf das Meer, das man von der
Tribüne aus gut sehen konnte. Seda nickte. Es war wirklich ein schönes Meer heute, tiefblau wie an einem Augusttag und ruhig, die Brandung nur ein
entferntes Rauschen, das vom Rufen der Spieler und Zuschauer übertönt wurde.
»Na,
der ist ja mächtig sauer!« Seda knackte weiter Sonnenblumenkerne zwischen den
Zähnen auf, während der Ex-Kommissar sich aus einer Thermoskanne
Holunderblütentee in einen kleinen Porzellanbecher goss.
»Nun,
ich sollte den Herren vielleicht von meinem Tee anbieten, er beruhigt die
Nerven kolossal.«
Auf
dem Platz standen sich Kapitän Patrick Schleinitz und Hakan Hunsfos mit in die
Hüften gestemmten Fäusten gegenüber und lieferten sich ein lautstarkes
Wortgefecht. Schließlich warf Schleinitz die Arme in die Luft und wandte sich
mit einer verächtlichen Geste ab, nicht ohne noch ein letztes Wort in Richtung
Hunsfos zu schleudern. In der nächsten Sekunde hatte sich der Norweger auf den
Kapitän gestürzt und versetzte ihm einen Stoß in den Rücken, der Schleinitz
straucheln ließ. Ruben Morales und Boris Gubanov eilten herbei, auch Trainer
Poppo und Co-Trainer Marcel Keil hatten die letzte Bewegung bemerkt und
marschierten über den Rasen. Die Dereköy-Amateure blickten neugierig herüber
und überhörten das Rufen ihres Trainers geflissentlich. Der blau-rosa Fanblock
einige Reihen vor Seda und Schmalfuß war geschlossen aufgesprungen und
drängelte sich gegen die Absperrung.
»Haben
Sie verstanden, worum es da ging?«
»Kein
Wort, Fräulein Seda, aber mir scheint oft, dass die Herren Fußballer in toto zu einer leicht erregbaren Spezies gehören. Da gibt schnell ein Wort das
andere. Man denke nur an all die Spuckerei, und wie böse sich die Herren ab und
an in die Waden oder vors Schienbein treten. Mit Absicht, Fräulein Seda, mit
voller Intention!«
Herbert
Schmalfuß, der als Kind im Sportunterricht stets als Letzter in eine Gruppe
gewählt wurde, aber dennoch trotz mangelndem eigenen Talents Zeit seines Lebens
ein glühender Verehrer der Ballspielkunst des FC St. Pauli gewesen war, klang
aufrichtig empört.
Seda
reckte den Hals, da eine rosafarbene Totenkopffahne ihr die Sicht nahm. Poppo
hatte den Arm um die Schultern von Patrick Schleinitz gelegt und redete auf ihn
ein, die anderen umringten Hakan Hunsfos, an dessen ruckendem Kopf man erkennen
konnte, dass er nach wie vor aufgebracht war.
Schaf
Willem hatte genug gefressen und legte sich auf die Seitenlinie, die Beine fest
unter den runden Körper gezogen. Die Sonne wärmte seine tiefschwarzen Ohren,
und er malmte zufrieden vor sich hin.
»Man
möchte gar nicht glauben,
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