Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall
Bonbonniere aussah. Ganz in seinem Element hatte Olli den jovialen
und witzigen Glücksbringer inszeniert, den Leuten auf die Schulter geklopft und
im Falle eines Gewinns in eine eigens mitgebrachte Fanfare trompetet. Aufgeregt
wühlten die Gäste nacheinander in der Glasschüssel und zogen eine Kugel, die
sie unter angehaltenem Atem der Umsitzenden in der Mitte aufbrachen und ein
Zettelchen hervorholten. Was für ein Getöse, was für eine Begeisterung und
welch eine Wonne, wenn das Los bestätigte, dass man zu den wenigen Glücklichen
gehörte, die einen Abend später mit der Mannschaft vom SV Bütte-Erkenroytz
würde tafeln können!
Endlich
öffnete sich die doppelflügelige Tür, und die Gäste strömten herein. Damit sich
Gäste und Spieler mischten, hatte Olli Tischkarten platzieren lassen. Die
beiden ToTos, die nicht mit den anderen am Tisch sitzen wollten, hatten einen
eigenen Zweiertisch direkt hinter Rocco Erdmanns Stuhl erbeten. Olli Reinecke,
der seit der Attacke mit dem Dartpfeil in steter Sorge lebte, das noch Schlimmeres
passierte, hatte Kadir Bülbül zur Vorsicht direkt neben Rocco gesetzt.
Eingezwängt zwischen seine drei Bewacher war kaum zu erwarten, dass sich etwas
ereignete, was Rocco belästigen und die Menüfolge stören würde.
Der
Hoteldirektor schüttelte Hände und strahlte nach rechts und links, alles lief
prächtig, die Gäste sahen so aus, als amüsierten sie sich bereits, bevor es
losging. Er fühlte sich wie ein Zeremonienmeister bei Hofe und im Rausche
dieses Machtgefühls hätte er beinahe Madlen Erdmann, die er aus dem Augenwinkel
wahrgenommen hatte, ihre Tischkarte aus der Hand genommen, die sie seelenruhig
neben der ihres Mannes platzierte, während sie die dort aufgestellte Karte
achtlos beiseiteschob. Da es glücklicherweise nicht die Karte von Kadir gewesen
war, die sie entfernt hatte, ließ Olli sie gewähren.
Zeugwart
Addi führte soeben Schaf Willem herein. Willems schwarzes Fell glänzte frisch
shampooniert, und selbst Olli Reinecke musste zugeben, dass sein Anblick sich
nahtlos in die Reihe der dunklen Anzüge um ihn herum einfügte. Eine Weile stand
man noch plaudernd mit alkoholfreien Cocktails, die einer der mittlerweile zum
Leben erwachten Kellner reichte, dann hievte Addi das Schaf auf seinen Platz,
was für die anderen das Zeichen zu sein schien, ebenfalls ihre Plätze
aufzusuchen.
Madlen
strahlte und schillerte, ihre langen Ohrgehänge glitzerten im Kerzenschein, und
sie stieß immer wieder spitze Schreie aus, während sie die Spieler einen nach
dem anderen stürmisch umarmte, als habe sie sie seit Jahren nicht mehr gesehen.
Trainer Poppo sollte sehen, was er ihr angetan hatte, als er sie von ihrem Mann
und ihrer Entourage getrennt hatte! Sollte er doch sehen, wie sehr seine Jungs
sie liebten und Spaß mit ihr hatten, wenn sie wollte, konnte sie sie besser
manipulieren und beeinflussen als Poppo selbst, er ahnte ja gar nicht, wie weit
ihre Macht reichte! Madlen warf Poppo einen herausfordernden Blick zu, als sie
sich von Timo Stevczevski löste und ihm mit ihrem Abendtäschchen auf die Brust
klopfte, um dem, was sie gerade laut sagte, aber auch dem, was in ihr vorging,
Nachdruck zu verleihen.
Jaja,
Mädchen, dachte Poppo amüsiert. Ich hab’s kapiert. Du bist die Größte, und ich
bin der böse Wolf, der ein Stückchen deiner Publicity gefressen hat. Glaub bloß
nicht, dass mir dies wie Wackersteine im Magen liegt, ich würde es jederzeit
wieder tun!
Madlen
strich ihr mit Pailletten übersätes Minikleid an den Hüften glatt und ließ sich
mit einer fließende Schlangenbewegung, die sie lange vor dem Spiegel geübt
hatte, neben Rocco nieder, der bereits in ein Gespräch mit Kadir vertieft war
und nicht auf das Zupfen und Räuspern seiner Frau reagierte. Leicht ungehalten
gab Madlen auf, nestelte an der kunstvoll drapierten Stoffserviette auf dem
Teller und stieß, als Rocco sie immer noch nicht wahrnehmen wollte, mit spitzem
Finger das kleine Schokoladenschaf um, das neben seinem Dessertlöffel thronte.
Rocco lachte über eine Bemerkung von Kadir und stellte das Schaf, ohne
hinzusehen, wieder auf. Pfff, machte Madlen und schnippte ihr eigenes Schaf um.
Dies dämliche Maskottchen, dachte sie, und das echte Viech sitzt keine drei
Plätze von mir und wenn es noch so sehr nach Bergamotte-Shampoo riecht – ich
wittere ganz eindeutig Schafsgeruch! Kann es denn sein, dass Rocco immer noch
sauer ist?
Um
diesem Gedanken und gleichzeitig dem Geruch zu entgehen,
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