Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall
den wunderbaren Cem Yildiz neben sich,
wunderbar nicht nur, weil er blendend aussah und ihr ein wenig weiche Knie
machte, sondern auch, weil er als Schutzwall gegen den gestelzten Herbert
Schmalfuß diente.
»Ja,
das denke ich mir«, ätzte sie nun, um Saskia fühlen zu lassen, was sie davon
hielt, das sie sie offensichtlich auf Schritt und Tritt verfolgte.
»Wenn
dann der Kleine mit fünfzig immer noch bei dir im ausgebauten Dachboden wohnt
und den ganzen Tag auf dem Bett liegend Comics liest, dann wirst du dich fragen:
Kinder, wo ist nur die Zeit geblieben? S’ist mir als wär’s gestern, wie ich in
den Kreissaal gerollt wurde!«
Madlen
hätte Julia, deren tief dekolletiertes Abendkleid sie mit Kennermiene würdigte,
und dessen Machart sie sofort für die ausgeleierten Bündchen an Saskias
Sweatshirt entschädigte, gerne abgeklatscht. Stattdessen stimmte sie in Julias
hohes Lachen ein und signalisierte der neu Hinzugekommenen mit einem
Augenaufschlag Schwesternschaft im Geiste.
»Gibt
es denn noch einen Großen?«, fragte Madlen, der es jetzt, da sie um eine
Mitverschwörerin wusste, noch mehr Spaß machte, Saskia vorzuführen. Herbert
Schmalfuß hatte ein besticktes Taschentuch, das noch von seiner Mutter stammte,
aus seiner Kapitänsjacke gezogen und hielt es Cem Yildiz zögerlich hin, als
habe er Angst, man könne es ihm aus der Hand reißen und wie einen
Fehdehandschuh zu Boden werfen. Cem nahm das Tuch vorsichtig an sich, holte
einen Stift aus seiner Jacke und malte in Schönschrift eine Widmung unter die
Initialen von Mutter Schmalfuß.
»Ja,
den gibt es, den Großen, er macht nächstes Jahr sein Abitur«, nickte Saskia
arglos und aufrichtig erfreut, dass ihre Sprösslinge in dieser illustren Runde
Gesprächsthema Nummer Eins waren.
Eine
wunderbare Idee durchzuckte Madlen mit einem Mal, und sie wechselte von einer
Sekunde zur anderen von der Privatperson, die sich einen harmlosen Spaß
erlaubte, zur Profimoderatorin auf der Suche nach Frischfleisch und neuem
Kandidatenmaterial.
»Abitur?
Schon? Da blutet das Mutterherz ein wenig, nicht wahr, wenn der Junge dann
seiner eigenen Wege zieht?«, säuselte sie und legte einen Arm auf Saskias
Rückenlehne. Die Getränke wurden eingeschenkt und Madlen hörte dumpf Saskias
Stimme neben dem Bauch des Kellners, der zwischen ihnen stand:
»Na,
mir blutet das Herz jetzt schon. Aber mehr weil, naja, weil ich noch nicht
sehe, dass er es schaffen wird. Aber er kann schließlich auch wie sein Papa
eine Lehre machen. Ist ja nix verkehrt dran.«
»Ist
Ihr Gatte auch hier?«
Madlen
ließ ihren Blick auf der Suche nach einem zweiten geringelten Sweatshirt über
die Stuhlreihen schweifen. Julia, die schon sämtliche Details des
Haverkornschen Familiendramas kannte, zog die Augenbrauen hoch und schüttelte warnend
den Kopf.
»Der
ist nicht hier. Der nicht! Niemals würde ich meinen Fuß in das gleiche Hotel
wie der setzen. Nix da. Mit dem Kleinen war ich im siebten Monat
schwanger, da hat er – hotzpotz! – seine Sachen gepackt und ist Knall auf Fall
ausgezogen.«
Na
sicher, dachte Madlen und machte ein zerknirschtes Gesicht. Der hat ein Ultraschallbild
von dem Knaben gesehen und sich gesagt: Jetzt, mein Lieber, nimmst du besser
die Beine in die Hand und machst dich vom Acker. Wer kann’s ihm verübeln?
»Nun,
ähem«, räusperte sich Madlen und setzte ihre unschuldigste Miene auf. »Wie
sieht er denn aus, der Große? Wie sein Bruder?«
»Ach,
i wo! Wie sein Bruder! Kein Stück. Wie Feuer und Wasser! Total unterschiedlich,
kein Mensch denkt, dass die Buben Brüder sind, wenn man sie nebeneinander
sieht.«
Saskia
lachte glucksend und schüttelte vehement den Kopf. Madlens Herz machte einen
erfreuten Hüpfer, und sie beugte sich näher zu ihrer Nachbarin. Der Sender
erhielt zwar tonnenweise Bewerbungen für Beauty and the Beast – Reloaded ,
aber es war geradezu zum Verzweifeln, wie sehr sich die bewerbenden Paare
fehleinschätzten. Selten genug war überhaupt ein Unterschied zwischen den
Paaren zu erkennen, man hätte beim besten Willen nicht sagen können, wer hier
Schönheit und wer Biest sein sollte.
»Ist
er denn hier?«
»Nein,
leider nicht, der Kleine hat die Reise für zwei Personen gewonnen, und da hat
er natürlich seine Mama mitgenommen.«
Logisch,
kommentierte Julia im Stillen, mit sechzehn will man nicht mit Freund oder
Bruder, sondern am liebsten mit der Mami um die Blöcke ziehen.
»Ach,
wie jammerschade, ich hätte ihn zu und zu gerne mal
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