Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall
sicher, hatte der Mörder gesessen, der Mann,
der dafür gesorgt hatte, dass Dalga sich in seinem eigenen Badezimmer nicht
mehr in Ruhe die Zähne putzen konnte, weil der glänzende und von Frau Dalga mit
viel Sachverstand aufgetragene Farbanstrich der Wände ihn beständig an die
scheußliche Leiche erinnerte. Die Situation wurde nicht besser davon, dass Frau
Dalga grüne Badetücher aufgehängt und Latschenkiefer-Badezusatz bereitgestellt
hatte.
»Und
wenn Ihr mich alle für verrückt haltet«, knurrte Dalga und wickelte den Schal
gedankenverloren um sein Handgelenk. »Ich weiß, dass der Kerl sich unter den
Fans versteckt. Ich fühl’s, hier drinnen, ich kann es nur noch nicht beweisen.«
Er
klopfte sich auf die Uniformbrust und seufzte. Die Sache war sonnenklar. Dalga
sah eine Gestalt durch den Palmengarten des Meridian Club huschen, eine Gestalt
in Tarnfarben oder noch besser: in einem heuschreckengrünen Jogginganzug, so
dass die Person vor dem satten Elefantengras und den dichten Hecken kaum zu
erkennen war. Die Farbe hatte er schon bereitgestellt, irgendwo unter der
Treppe zum ersten Stock, wer würde sich schon darüber wundern? Überall gab es
Ausbesserungen zu verrichten, niemand würde sich an zwei Lackeimerchen stören.
Die Spieler waren alle beim Mittagsimbiss, der Mörder war allein. Schlich sich
zur Tür, stieß sie vorsichtig auf, sah den schlafenden Hunsfos. Drei lautlose
Schritte und er war bei ihm und donnerte ihm – zack zack – etwas Schweres gegen
die Schläfe. Die Farbeimer vielleicht? Nein, da hätte Selim Sever Spuren
gefunden, grübelte Dalga weiter. Etwas Schweres, also, und dann, ach du
Schreck, hörte der Täter Stimmen. Die Spieler kamen zurück! Rasch hinaus, die
Tür fällt ins Schloss! Als alles wieder ruhig war, pirschte er sich erneut an,
gelangte irgendwie ins Zimmer… ja, aber wie? Die Tür war definitiv zu, das
hatte Rocco Erdmann mehrfach bestätigt.
Dalga
lehnte sich zurück und hob einen Fuß auf die Pritschenkante. Auf dem gleichen
Wege, dachte der komiser , wie er schon am Abend des Gästedinners in das
Zimmer gekommen war, um das Öl in der Dusche zu verteilen. So musste es gewesen
sein!
Misstrauisch
wälzte Dalga diesen Gedanken hin und her. Ob dieser Schlacks, dieser Bülbül ihn
nicht vielleicht doch aufs Glatteis geführt hatte, als er ihm von dem Olivenöl
erzählte? Die Spurensicherung hatte nichts gefunden, die Putzfrau schien
gründliche Arbeit geleistet zu haben. Auf der anderen Seite hatten er und der
Schlacks ausnahmsweise einmal bislang ohne Querelen zusammengearbeitet, auch
wenn Bülbül nicht an die Fantheorie glaubte.
Der
Mörder trat ans Bett, stellte befriedigt fest, dass sein Opfer noch bewusstlos
war und begann mit der Erschaffung seines tödlichen Kunstwerks, das ihn auf
ewig in der Geschichte der Fans des…
Ein
Rumpeln und Krachen im Dienstbüro schreckte Dalga auf, und er sprang eilends
hoch. Seine Untergebenen sollten ihn nicht in einem Zustand der Melancholie
ertappen, eine in seiner Position undenkbare, groteske Verfassung, die er
selbst auch niemandem durchgehen lassen würde. Rasch trat er aus der Zelle und
hatte gerade die Stahltür zum Revier erreicht, als diese aufgerissen und ein
hochroter, aufgelöster Taylan Dogulu beinahe in Dalgas Arme stürzte wie eine
schwindsüchtige Maid.
»Chef!«,
japste er und verdrehte die Augen, nach Atem ringend. »Chef!«
»So
reiß dich doch zusammen, Mann! Haltung! Und nun Rapport! Was gibt es? Raus mit
der Sprache und höre schon auf zu keuchen wie ein gefräßiger, hechelnder Mops!
Einer der Grün-Weißen, der, wie ich immer schon sagte und gleichzeitig
fürchtete…? «
»Nein,
nein, kein Grün-Weißer, nein!« Dogulu lehnte sich an die Wand und wischte sich
die Stirn mit der Mütze ab. »Eine Leiche… angeschwemmt am Strand unterhalb… des
Klippenkläffer-Abschnitts… eine Frau hat mit ihrem Köter einen Abendspaziergang
gemacht und da lag sie dann, direkt in der Brandung, der Hund ist fast
durchgedreht und… und«
»Und
was?«
»Und
der Hund hatte eine Gucci-Fellweste an, stellen Sie sich vor, Chef, und… Hilfe!
Hilfe, Chef!«
Dalga
packte Dogulu am Revers und schüttelte ihn, als ob er erwartete, dass
Goldmünzen aus der Uniformjacke regneten.
»Was
interessiert mich die Dreckstöle, budala ?! Was ist das für eine Leiche?
Sag bloß nicht, dass sich noch so ein ausländischer Fußballer hat meucheln
lassen!«
»Nein!«, keuchte Taylan Dogulu. »Eine
Frau, eine junge Frau ist es.
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