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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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– egal wer es ist!“ fluchte ich.
Leicht stießen wir mit den Nasen zusammen, sie stöhnte, dann lachten wir beide, nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. „Hilf mir mal, dass ich da rauskomme!“ bat sie mich. „Ich hab mich ganz verheddert!“
Wieder klingelte das Telefon laut und schrill.
Wir hatten uns mit den Beinen in der Unterwäsche so verwickelt, dass ich mit der Hand heruntergriff, um das Durcheinander zu lösen. Dabei berührte ich Angies Hand Diese unerwartete Berührung war eins der erotischsten Gefühle, die ich je verspürt habe. Abermals klingelte das Telefon, und Angie legte sich seitwärts übers Bett, wodurch sich unsere Füße entwirrten und ich im Kerzenlicht den Schweiß auf ihrer olivbraunen Haut glänzen sah. Sie stöhnte, aber es war ein verärgertes, wütendes Stöhnen, und als sie über mich nach dem Telefon griff, rieben unsere Körper aneinander.
„Könnte Officer Dünn sein“, bemerkte sie, „Scheiße!“
„Tim“, verbesserte ich. „Für dich heißt er doch Tim.“
„Du Arschloch!“ lachte sie kehlig und schlug mir auf die Brust. Mit dem Hörer rutschte sie wieder an mir entlang, dann fiel sie neben mir ins Bett – ihre Haut glänzte noch dunkler durch das weiße Betttuch unter ihr.
„Hallo!“ meldete sie sich und blies eine nasse Haarsträhne fort, die an ihrer Stirn klebte.
Ich hörte ein kratzendes Geräusch. Schwach, aber unablässig. Am Fenster rechts von mir sah ich die dunklen Zweige an der Scheibe entlangkratzen.
Kratz, kratz.
Angie zog das rechte Bein fort, und mir war plötzlich kalt. „Ach, Phil, bitte“, sagte sie, „es ist fast zwei Uhr nachts.“ Sie drückte Kopf und Schultern ins Kopfkissen, klemmte sich den Hörer zwischen Ohr und Schulter, hob das Becken an und zog den Slip wieder hoch.
„Das freut mich ja auch, dass es dir gutgeht“, beruhigte sie ihn, „aber können wir nicht morgen früh weiterreden, Phil?“
Wieder kratzten die Zweige am Fenster, während ich meine BoxerShorts suchte und sie anzog.
Geistesabwesend streichelte Angie meine Hüfte, dann drehte sie sich zu mir um und verdrehte die Augen, als wolle sie sagen: „Ist das zu glauben?“ Plötzlich kniff sie mir ins Fleisch über der Hüfte, wo ich ihrer Meinung nach ein kleines Röllchen hatte, und biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu lachen. Es gelang nicht.
„Phil, du hast doch was getrunken, stimmt’s?“
Kratz, kratz.
Ich sah zum Fenster hinüber, doch die Zweige waren nicht zu sehen, sie wurden vom starken Wind nach hinten gebogen. „Das weiß ich doch, Phillip“, sagte sie traurig. „Ich weiß. Ich versuch’s ja auch.“ Sie ließ die Hand von meiner
Hüfte gleiten, widmete sich ganz dem Telefon und stand auf. „Tue ich nicht. Ich hasse dich nicht.“
Dort stand sie, ein Knie aufs Bett gestützt, und sah aus dem Fenster, das Telefonkabel schnitt sich in die Rückseite ihrer Oberschenkel, während sie sich wieder in das T-Shirt zwängte.
Ich stand ebenfalls auf und zog mir Jeans und Hemd an. Ohne die Wärme eines anderen Körpers war es kalt im Haus, aber ich hatte nicht den Wunsch, wieder unter die Decke zu krabbeln, während sie mit Phil plauderte.
„Ich verurteile dich ja gar nicht“, sagte sie, „aber wenn Arujo zufällig heute nacht bei dir vorbeikommt, wäre es doch besser, wenn du klar im Kopf wärst, oder?“
Ein weißer Lichtstrahl erklomm ihre vom Kerzenlicht beschienene Schulter, dreimal blinkte es gegen die Wand vor ihr. Sie hielt den Kopf gesenkt, so dass sie ihn nicht bemerkte. Deshalb stand ich auf, ging in den Flur, rieb mir die Arme wegen der Kälte und sah durch das Wohnzimmerfenster Tim Dünn über die Strasse auf das Haus zukommen.
Als ich den Alarm deaktivieren wollte, merkte ich, dass auch er vom Stromausfall betroffen war.
Bevor er klingeln konnte, öffnete ich die Tür.
„Was ist los?“ fragte ich.
Wegen der von den Bäumen heruntertropfenden Nässe hielt er den Kopf gesenkt. Ich bemerkte, dass er auf meine nackten Füße sah. Im Wohnzimmer rauschte das Walkie-talkie.
„Kalt?“ fragte Dünn und zog sich am Ohrläppchen.
„Ja, kommen Sie rein!“ lud ich ihn ein. „Machen Sie die Tür hinter sich zu.“
Ich ging voraus in den Flur, als ich Devins Stimme über das Walkietalkie hörte: „Patrick, sofort raus aus dem
Haus! Arujo hat uns reingelegt! Er hat uns reingelegt! Er ist nicht auf Nahant!“
Ich drehte mich um, Dünn hob den Kopf, und Evandro Arujos Gesicht starrte mich unter der Krempe an.
„Arujo ist nicht in Nahant,

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