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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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er mich vorwärts, und wieder überlegte
ich mir, ihm den Ellbogen gegen den Oberkörper zu schlagen. Mit Dunns Dienstwaffe zielte er über meine Schulter auf den Wandschrank und spannte den Hahn.
„Ist sie da drin?“ flüsterte er und verlagerte das Gewicht nach links, um besser auf den Schrank zielen zu können. Gleichzeitig drückte er mir das Messer noch härter gegen den Kopf.
„Weiß ich nicht“, antwortete ich.
Ich hörte ihre Stimme, noch bevor ich wusste, dass sie da war. Sie stand fünf Zentimeter hinter mir; vorher jedoch war das harte metallische Klicken eines gespannten Hahnes zu vernehmen. „Keine Bewegung!“
Evandro drehte mir die Messerspitze so heftig in den Hinterkopf, dass ich mich auf die Zehenspitzen stellte und mir das Blut den Nacken herunterlief.
Wegen des Schmerzes wandte ich den Kopf nach links, so dass ich den Lauf von Angies .38er sehen konnte, der in Evandros rechtem Ohr steckte; Angies Handknöchel am Pistolengriff waren schneeweiß.
Mit einem gezielten Stoss schlug Angie Evandro die Pistole aus der Hand. Sie landete am Fußende des Bettes auf dem Boden, und ich erwartete, dass sich ein Schuss löste, doch lag sie einfach mit gespanntem Hahn da und zeigte auf die Frisierkommode.
„Angela Gennaro“, sagte Evandro. „Schön, dich kennenzulernen. Ganz schön schlau, so zu tun, als wärst du noch am Telefon.“ „Ich bin noch am Telefon, du Arschloch! Sieht es etwa so aus, als hätte ich aufgelegt?“
Evandros Augenlider flatterten. „Nein.“
„Und was sagt dir das?“
„Das bedeutet, dass jemand vergessen hat aufzulegen.“ Er schnüffelte. „Riecht nach Sex hier. Das Verschmelzen von Körpern. Ich hasse den Geruch. Ihr hattet euren Spaß, hoffe ich.“
„Die Polizei ist jeden Augenblick hier, Evandro, nimm das Messer runter!“
„Das würde ich ja gerne, Angela, aber vorher muss ich dich leider umbringen.“
„Uns beide bekommst du nicht!“
„Du denkst nicht klar, Angela. Wahrscheinlich bist du etwas benebelt vom Sex. Das kommt davon. Das stinkt wie bei den Steinzeitmenschen, dieser Sexgestank. Nachdem ich Kara und Jason gefickt hatte – und das könnt ihr mir glauben, das war nicht meine Idee, sondern ihre –, wollte ich ihnen an Ort und Stelle den Hals durchschneiden. Aber man hat mich überzeugt, dass ich besser wartete. Ich wurde…“
„Er will dich mit seinem Gerede einlullen, Ange!“
Sie drückte die Pistole härter gegen sein Ohr. „Seh ich so aus, als ob man mich einlullen könnte, Evandro?“
„Denk dran, was du in den letzten Wochen über mich erfahren hast! Ich arbeite nicht alleine – oder hast du das vergessen?“ „Aber im Moment bist du alleine, Evandro. Also nimm das verfluchte Messer runter!“
Er verstärkte den Druck, und in meinem Kopf explodierte ein weißer Blitz.
„Du denkst nicht richtig nach“, erwiderte Evandro. „Du glaubst, wir können euch nicht beide kriegen, aber statt dessen kriegt ihr nicht uns beide!“
„Erschieß ihn!“ befahl ich.
„Was?“ rief Evandro wild.
„Erschieß ihn!“
Rechts von uns sagte eine Stimme in der Küche: „Hallo!“ Angie wandte den Kopf, und ich roch die Kugel, von der sie getroffen wurde. Sie roch nach Schwefel, Kordit und Blut.
Ihre Waffe entlud sich zwischen Evandro und mir, das Mündungsfeuer brannte mir in den Augen.
Ich machte einen Satz nach vorne und merkte, dass sich das Stilett aus meinem Nacken löste und hinter mir auf den Boden fiel. Evandro kratzte mir mit den Fingernägeln durchs Gesicht. Ich stieß ihm den Ellenbogen gegen den Kopf und hörte das Geräusch von brechenden Knochen und einen Schrei. Plötzlich ging Angies Pistole zweimal los, in der Küche zerbarst Glas.
Geblendet torkelten Evandro und ich ins Schlafzimmer, wo ich langsam wieder etwas erkennen konnte. Mit dem Fuß trat ich gegen Dunns Waffe auf dem Boden, sie entlud sich mit einem Knall und schlitterte in die Küche.
Evandro krallte sich in meinem Gesicht fest, ich hatte die Hände im Fleisch unterhalb seines Brustkorbs vergraben. Ich drehte mich, griff noch fester um seine unteren Rippen und schleuderte Arujo in den Spiegel über Angies Frisierkommode.
Da löste sich der weiße Fleck vor meinen Augen auf; ich sah seinen dünnen Körper über die Schminksachen fliegen und das Glas zerschmettern. Der Spiegel zerbrach in große dreizackige Scherben. Die Kerzen auf der Kommode knisterten und loderten hell auf, als sie zu Boden fielen. Ich hechtete über das Bett, als Evandro mit der Kommode nach vorne kippte.
Beim

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