Absender unbekannt
Foto und die anderen mit Jason und seinen Frauen, fragen sie, ob sie den Typen kennt, aber solange sie nicht damit anfängt, erzählen wir nichts von einer möglichen Liebesgeschichte.“
„Hört sich gut an.“
„Nein“, entschied Diandra, „den Mann habe ich noch nie gesehen. Wer ist das?“
Ich schüttelte den Kopf. „Weiß ich nicht. Eric?“ Eric betrachtete das Foto lange und schüttelte schließlich den Kopf. „Nein.“ Er gab es mir zurück. „Nein“, wiederholte er.
Angie erklärte: „Dr. Warren, das ist alles, was wir nach zehn Tagen haben. Jason begrenzt seine sozialen Kontakte auf wenige Menschen, und das waren bis heute ausschließlich Frauen.“ Diandra nickte und tippte dann mit dem Finger auf den Kopf von Jasons Freund. „Sind die beiden ein Paar?“
Ich sah Angie an. Sie sah mich an.
„Kommen Sie, Mr. Kenzie, glauben Sie, ich weiß nichts von Jasons sexueller Orientierung? Er ist mein Sohn.“
„Also spricht er darüber?“ wollte ich wissen.
„Nein. Er hat sich noch nie mit mir darüber unterhalten, aber ich wusste es schon, würde ich sagen, als er noch ein kleiner Junge war. Und ich habe ihn wissen lassen, dass ich absolut kein Problem habe mit Homosexualität, Bisexualität oder wie man es auch immer nennen mag, ohne jedoch von ihm selbst zu sprechen. Aber ich glaube, dass ihm seine Sexualität irgendwie peinlich ist und ihn verwirrt.“ Wieder tippte sie auf das Foto. „Ist dieser Mann gefährlich?“
„Wir haben keinen Grund zu dieser Annahme.“
Sie zündete sich eine Zigarette an, lehnte sich dann auf der Couch zurück und blickte mich an. „Und? Wo sind wir jetzt?“
„Haben Sie keine weiteren Drohungen oder Fotos per Post erhalten?“
„Nein.“
„Dann sehe ich es so, dass wir momentan nur Ihr Geld verschwenden, Dr. Warren.“
Sie warf Eric einen Blick zu, der zuckte mit den Schultern. Dann wandte sie sich wieder an uns. „Am Wochenende fahre ich mit Jason zu unserem Haus in New Hampshire. Wenn wir zurückkommen, können Sie Jason dann noch ein paar Tage beobachten, damit ich beruhigt sein kann?“
„Ja, sicher.“
Am Freitag morgen rief Angie an, um mir zu sagen, dass Diandra Jason abgeholt habe und mit ihm nach New Hampshire gefahren sei. Ich hatte ihn den ganzen Donnerstag Abend beobachtet, es war jedoch nichts passiert. Keine Drohungen, keine verdächtig aussehenden Gestalten vor seiner Zimmertür, kein Stelldichein mit dem Spitzbart.
Wir hatten uns den Arsch aufgerissen, um den Typen zu identifizieren, aber es war fast, als sei er aus dem Nichts gekommen und wieder dahin zurückgekehrt. Er war kein Student oder Dozent in Bryce. Er arbeitete in keinem der Etablissements, die im Umkreis von einer Meile vom Campus lagen. Wir hatten sogar einen Freund von Angie, einen Kriminalbeamten, gebeten, das Gesicht in den Computer zu füttern und mit der Verbrecherkartei abzugleichen. Da er Jason ganz offen getroffen hatte und ihr Treffen mehr als freundschaftlich gewesen war, gab es keinen Grund zu der Annahme, er könne gefährlich sein, deshalb beschlossen wir, die Augen offenzuhalten, falls er wieder auftauchen sollte. Vielleicht kam er aus einem anderen Staat. Vielleicht war er eine Fata Morgana.
„Also haben wir das Wochenende frei“, freute sich Angie. „Was hast du vor?“
„Soviel Zeit wie möglich1 mit Grace verbringen.“
„Du bist ihr verfallen!“
„Stimmt. Was ist mit dir?“
„Sag ich dir nicht!“
„Och, bitte!“
„Nein!“
„Dann pass gut auf!“ ermahnte ich sie.
„Ja, gut.“
Ich machte meine Wohnung sauber. Das dauerte nicht lange, weil ich nie lange genug da bin, um sie in Unordnung zu bringen. Als ich auf den Zettel mit dem „HI!“ und die Aufkleber stieß, spürte ich ein warmes Prickeln im Nacken,
doch schüttelte ich es ab und warf alles in ein Fach meines Fernsehschranks.
Erneut rief ich Richie Colgan an, erreichte aber nur seine Mailbox und hinterließ eine Nachricht. Dann blieb nichts mehr zu tun, als zu duschen, mich zu rasieren und zu Grace zu gehen. Oh, happy day! Als ich die Treppe runterging, hörte ich unten in der Eingangshalle zwei Menschen schwer atmen. Ich kam um die Ecke und sah Stanis und Liva, die sich wie zwei Boxer zur zwanzigsten Runde gegenüberstanden.
Stanis hatte ein paar Kilo Weizenmehl auf dem Kopf, und der schmierige Hausmantel seiner Frau war über und über mit frischem Ketchup und dampfendem Rührei bedeckt. Die beiden starrten sich an, die Adern am Hals waren hervorgetreten, Livas linkes Augenlid zuckte wie
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