Absender unbekannt
umgebracht“, erklärte ich.
„Zwanzig Jahre lang“, ergänzte Angie.
Erdham kam um zehn vorbei und teilte uns mit, dass ein roter Cherokee-Jeep, dessen Fahrer einen Cowboyhut trug, an der Kreuzung in Wollaston Beach über eine rote Ampel gefahren war. Die Polizei von Quincy hatte die Verfolgung aufgenommen und ihn in einer scharfen Kurve der 3 A bei Weymouth verloren, da das Polizeiauto aus der Spur geworfen wurde.
„Die haben einen beschissenen Jeep in einer Kurve verloren?“ staunte Devin ungläubig. „Diese Superrennfahrer scheren aus, und so ein klotziges Auto wie der Cherokee kommt um die Kurve?“ „Das haben sie mir erzählt, ja. Als letztes wurde er auf der Brücke beim alten Marinehafen Richtung Süden gesehen.“
„Wann war das?“ fragte Bolton.
Erdham sah in seinen Aufzeichnungen nach. „Neun Uhr fünfunddreißig in Wollaston. Um neun Uhr vierundvierzig haben sie ihn verloren.“
„Sonst noch was?“ wollte Bolton wissen.
„Ja“, erwiderte Erdham zögernd und sah mich dabei an. „Was denn?“
„Malion!“
Fields kam in die Küche. Er trug einen Stapel kleiner Aufnahmegeräte und mindestens fünfzehn Meter Koaxialkabel.
„Was ist das?“ fragte Bolton.
„Er hat die gesamte Wohnung verwanzt“, antwortete Fields und vermied es, mich anzusehen. „Die Recorder waren mit Isolierband unter die Veranda des Vermieters geklebt. Kassetten waren nicht drin. Die Kabel liefen in einen Verteiler oben auf dem Dach, zusammen mit den Fernseh -und Telefonkabeln. Er hat die Kabel mit dem Rest der Drähte am Haus heruntergeführt – wenn man nicht danach sucht, hätte es nie einer bemerkt.“
„Sie wollen mich verarschen!“ brachte ich heraus.
Fields schüttelte entschuldigend den Kopf. „Leider nicht. Nach dem Staub und dem Schmutz auf den Kabeln zu urteilen, würde ich schätzen, dass er seit mindestens einer Woche alles mithört, was in Ihrer Wohnung vor sich geht.“ Er zuckte die Schultern. „Vielleicht länger.“
26
„Warum hat er den Cowboyhut nicht abgenommen?“ fragte ich auf dem Weg zu Angie.
Mehr als erleichtert hatte ich meine Wohnung zurückgelassen. Im Moment war sie voll von herumflitzenden Technikern und Polizisten, die den Fußbodenbelag hochrissen und ihn einpuderten, um etwaige Fingerabdrücke erfassen zu können. Eine Wanze hatte man hinter der Fußleiste im Wohnzimmer gefunden, eine unter meiner Kommode im Schlafzimmer, die dritte war in den Küchenvorhang eingenäht gewesen.
Ich versuchte, nicht an die unglaubliche Verletzung meiner Privatsphäre zu denken, deshalb konzentrierte ich mich auf den Cowboyhut.
„Was?“ gab Devin zurück.
„Warum hatte er den Cowboyhut noch auf, als er in Wollaston über die Ampel gefahren ist?“
„Hat ihn vergessen abzunehmen“, schlug Oscar vor.
„Wenn er aus Texas oder Wyoming war, könnte ich’s ja verstehen. Aber er kommt aus Brockton. Er merkt doch beim Fahren, dass er einen Cowboyhut auf dem Kopf hat. Er weiß auch, dass das FBI hinter ihm her ist. Er weiß doch, dass wir merken, dass er sich als Lyle ausgegeben hat, sobald wir die Augen gefunden haben.“ „Und trotzdem lässt er den Hut auf“, rätselte Angie.
„Er macht sich über uns lustig“, befand Devin schließlich. „Er will uns zeigen, dass er schlauer ist als wir und wir ihn nicht kriegen.“ „So ein Saukerl!“ rief Oscar, „so ein verdammter Saukerl!“ Bolton hatte in die Wohnungen rechts und links von Phil Beamte geschickt, weitere befanden sich im Haus der Livoskis gegenüber von Angies Haus und bei den McKays, dem Haus dahinter. Beide Familien hatten für die Zweckentfremdung ihrer Häuser eine Entschädigung erhalten und wurden im Marriott untergebracht, trotzdem rief Angie bei beiden an und entschuldigte sich für die Unannehmlichkeiten.
Nachdem sie aufgelegt hatte, ging sie duschen, während ich ohne Licht und mit heruntergelassenen Rollläden an dem staubigen Tisch im Esszimmer saß. Oscar und Devin saßen unten auf der Strasse in ihrem Auto, sie hatten uns zwei Funkgeräte dagelassen. Schwer und kantig standen die beiden vor mir auf dem Tisch, im Halbdunkel wirkten ihre Umrisse wie Empfangsstationen einer fernen Galaxie. Als Angie vom Duschen zurückkam, trug sie ein graues T-Shirt mit dem Aufdruck der Monsignor Ryan Memorial High School und rote Flanellshorts, die ihre Oberschenkel locker umspielten. Ihr Haar war noch nass, sie sah klein aus, als sie Aschenbecher und Zigaretten auf den Tisch stellte und mir eine Cola reichte.
Dann zündete sie sich
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