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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Zitronensaft, Wasserstoffperoxid und Salz verwendet worden waren. Die Schnitte im Gesicht und am Rest des Kopfes hatten den Nachweis von verschiedenen Substanzen erbracht: Fonds Körpercreme und weiße Theaterschminke.
Er war geschminkt gewesen?
Ich überprüfte Hardimans Akte. Zum Zeitpunkt der Festnahme waren an den Wurzeln des Haaransatzes ebenfalls Spuren eines weißen Präparats gefunden worden, so als hätte er die Schminke abgewischt, aber keine Zeit gehabt, die Haare zu waschen. Ich durchblätterte Cal Morrisons Akte. Morrison hatte sein Zuhause an einem wolkenverhangenen Nachmittag um drei Uhr verlassen, weil er sich ein Amateur-Footballspiel im Columbia Park ansehen wollte. Er wohnte weniger als eine Meile entfernt, doch als die Polizei alle Wege überprüfte, die er hätte einschlagen können, fand sich kein Zeuge für die Zeit, nachdem Cal einem Nachbarn in der Sumner Street zugewinkt hatte.
Sieben Stunden später war er gekreuzigt worden.
Die Spurensicherung hatte Hinweise darauf, dass Cal mehrere Stunden rücklings auf einem Teppich gelegen haben musste. Ein billiger Teppich, der laienhaft in Stücke geschnitten worden war, so dass kleine Flusen in seinem Haar hängenblieben. In den Teppichflusen fanden sich Spuren von Öl und Bremsflüssigkeit.
Unter den Fingernägeln der rechten Hand fand man Blut der Blutgruppe A sowie Chemikalien, aus denen weiße Theaterschminke hergestellt wird.
Eine Zeitlang war die Mordkommission davon ausgegangen, dass sie nach einem weiblichen Mörder Ausschau halten musste. Durch Haarfasern und Gipsmodelle der Fußabdrücke wurde diese Theorie jedoch schnell wieder verworfen.
Schminke. Warum waren Rugglestone und Hardiman geschminkt gewesen?

27
    Gegen elf rief ich Devin über das Funkgerät an und erzählte ihm von der Schminke.
„Ist mir damals auch aufgefallen“, bestätigte er.
„Und?“
„Am Ende war’s doch wieder eine von diesen Zufälligkeiten. Schließlich waren Hardiman und Rugglestone ein Paar, Patrick.“ „Sie waren homosexuell, Devin, aber das heißt ja nicht, dass sie Transvestiten oder Tunten waren. In den Akten gibt es keinen Hinweis, dass sie jemals geschminkt gesehen wurden.“
„Ich weiß es auch nicht, Patrick. Es kam nie was dabei heraus. Hardiman und Rugglestone brachten Morrison um, und dann ermordete Hardiman Rugglestone, und selbst wenn sie damals eine Ananas auf dem Kopf getragen und in rosa Tutus gesteckt hätten, hätte das an den Fakten nichts geändert.“
„Aber irgendwas stimmt nicht mit den Akten, Devin. Das weiß ich genau.“
Er seufzte. „Wo ist Angie?“
„Im Bett.“
„Alleine?“ er kicherte.
„Was?“ fragte ich.
„Ach, nichts.“
Im Hintergrund hörte ich Oscars heiseres Gelächter.
„Los, spuck’s aus!“
Auf das Knistern des Funkgeräts folgte Devins erheitertes Seufzen. „Ach, Oscar und ich haben nur ‘ne kleine Wette abgeschlossen. „ „Auf wen?“
„Auf dich und deine Kollegin, wie lange ihr zusammen eingesperrt bleiben könnt, bis was passiert.“
„Und das wäre?“
„Ich hab gesagt, ihr bringt euch gegenseitig um, aber Oscar meint, ihr fangt noch vor dem Wochenende an, wie die Wilden rumzuvögeln.“
„Toll“, bemerkte ich. „Hab ihr beiden etwa euer PoliticalCorrectness-Seminar verpasst?“
„Bei der Polizei nennt man das >sensible Dialogführung<. Aber Sergeant Lee und ich sind der Ansicht, dass wir schon sensibel genug sind“, gab Devin zurück.
„Ganz bestimmt.“
„Hört sich an, als glaubt er uns nicht“, rief Oscar im Hintergrund. „Doch, sicher. Ihr zwei seid die Vorreiter der neuen Männlichkeit.“ „Echt?“ fragte Devin. „Meinst du, damit schaffen wir es, die Weiber aufzureißen?“
Nachdem ich aufgelegt hatte, rief ich Grace an.
Ich hatte den Anruf bis jetzt hinausgezögert. Grace war zwar tolerant und verständnisvoll, aber trotzdem war ich mir nicht sicher, wie ich ihr erklären sollte, dass ich fürs erste bei Angie wohnte. Ich bin nicht unbedingt ein Besitzergreifender Mensch, aber wenn Grace mich anrufen
würde und mir sagte, sie ziehe für ein paar Tage bei einem Freund ein, wüsste ich auch nicht, wie ich reagieren würde.
Doch kamen wir nicht direkt auf diesen Punkt zu sprechen. „Hi“, grüsste ich.
Schweigen.
„Grace?“
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich mit dir reden will, Patrick.“ „Warum?“
„Das weißt du verdammt genau!“
„Nein, weiß ich nicht.“
„Wenn du mich hier an der Nase herumführen willst, leg ich auf“, drohte sie.
„Grace, ich habe

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