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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Pavianfamilien, die mitten auf den Autobahnen lagerten. Er erzählte ihr von den Wahrzeichen seiner Kindheit, dem Tafelberg, Fish Hoek und Camps Bay, und fabulierte über das heiße Wetter in den Monaten, die in der nördlichen Hemisphäre Winter waren.
    »Ja«, sagte sie, »das hört sich an, als wäre es ein beeindruckendes Land. Aber es gibt dort auch Menschen, Sam. Und ich möchte von ihnen hören. Ich möchte mehr über deine Eltern hören. Du hast mir noch nicht einmal ihre Namen gesagt.«
    »Peter«, sagte er, »und Ilse.«

SAM
    Vor unserer Heirat erzählte ich Sarah schließlich, was meine Eltern wirklich gewesen waren, dass sie selbst den Angriff initiiert hatten, bei dem sie umgekommen waren, dass sie sich versehentlich selbst getötet hatten und andere dabei mit in den Tod gerissen hatten – Unschuldige wie Mittäter in den Apartheid-Institutionen.
    Ich erzählte es ihr im Auto auf einer Fahrt zum Haus ihrer Eltern in Virginia. Ich wartete, bis wir unterwegs waren, weil ich wusste, dass es dann kein Ausweichen vor dem gab, was ich zu gestehen hatte.
    »Du sagst, dass deine Eltern Selbstmordattentäter waren.« Ihre Stimme war so leise, dass sie kaum durch den Straßenlärm drang.
    »Ihr Tod war ein Unfall. Wie ich es verstehe, wollten sie das Auto vor dem Polizeirevier abstellen und eine Warnung per Telefon geben, aber es gab ein technisches Problem. Während sie im Auto auf den rechten Moment, die vereinbarte Zeit, warteten, detonierte die Bombe.«
    »Ich dachte, der Anti-Apartheid-Kampf sei gewaltlos gewesen.«
    Er hatte sich vorgestellt, sie würde vor Zorn schreien. Stattdessen klang sie wie betäubt, wie jemand, den plötzlich ein unfassbarer Kummer überwältigt hatte.
    »Du musst das im Kontext sehen. Es war ein Unfall. So, wie es passierte, war es nicht geplant. Es sollten keine Unschuldigen sterben. Du kannst das Zeugnis der Wahrheitsfindungskommission über ihren Fall lesen. Ihr Tod war ein Versehen.« Ich erinnere mich, wie ich nach Luft rang, da es mir die Kehle zuschnürte. Es schien pervers, so über meine Eltern zu reden, als wäre ihr Tod so etwas wie ein Beamtenfehler: Aus den Unterlagen hatte man die falsche Akte geholt, die falsche Anordnung war bearbeitet, der falsche Angestellte entlassen worden.
    Zehn Meilen lang fuhren wir schweigend. Ich machte den Mund auf und wollte Sarah schon, gegen mein besseres Wissen, die Wahrheit über Bernard erzählen. Mein Herz schlug zum Zerspringen, doch ich wollte es ihr sagen. Ich wollte endlich jemandem erzählen, was ich getan hatte.
    »Es spielt wohl am Ende keine Rolle«, sagte sie, ehe ich den Mut fand zu sprechen. »Aber ich wünschte, du hättest es mir gleich erzählt.«
    Am Ende habe ich ihr die Sache mit Bernard damals nicht erzählt. Ich habe es immer noch nicht getan. Ich sage mir, dass es nun zu spät ist und dass nichts Gutes daraus käme, wenn ich es erzählte.
    Da keiner mehr da ist, den ich fragen kann, in welchem Jahr ich die Eisenbahn, in welchem das rote Dreirad bekommen habe, verbinde ich alle Weihnachten vor dem Tod meiner Eltern zu einem einzigen heißen, chaotischen Tag mit einem Ausflug zum Strand, einem hawaiianischen Fest, einem mexikanischen Essen, mit zwölf Gästen, zwei Gästen, Großeltern, ohne Großeltern, und meine Mutter und mein Vater tranken immer aus Thermosflaschen Sundowners, hatten Badesachen an und cremten mich mit Sonnenmilch ein. Während des ersten Weihnachtsfestes, das ich bei meiner Tante in Beaufort West verbrachte, flimmerte die Hitze über den angestrichenen Blechdächern und meine Arme klebten an Tischen fest, meine Beine an Plastikstühlen auf der Veranda hinterm Haus. Freunde von Ellen kamen zum Essen und sie bereitete fünf verschiedene Salate zu und ein Brathähnchen und es gab einen Weihnachtskuchen mit Zuckerguss und Marzipan, bei einer Frau aus der Kirchgemeinde erworben. Ellen gab mir Geschenke, die eher geeignet waren, zu trösten, als zu erfreuen: neue Schuhe, ein Paar Shorts, eine Anthologie mit Erzählungen. Als ich sie öffnete, empfand ich kein Glück und kämpfte mit den Tränen und dann weinte ich doch, als ich das Foto meiner Mutter als Teenager auspackte, das meine Tante in einen silbernen Rahmen gesteckt hatte. Ob Ellen selbst Geschenke auszupacken hatte, daran kann ich mich nicht erinnern.
    Es ist mir gelungen, das erste Weihnachten nach dem Tod meiner Eltern zu vergessen, allein mit Bernard in seinem Haus, umgeben von Bier und Rindfleisch, heiß vom Braai-Grill. Geschenke gab

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