Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
Vom Netzwerk:
sagt.« Wie sie Beaufort West aussprach, nötigte ihm ein Lächeln ab. Jede Silbe wurde so klar und rund ausgesprochen, Bow-Fort-West, und gleichzeitig brachte sie vereinzelte, gepresst klingende Laute hervor, die schwer zu verstehen waren. Dann hörte er, was sie gesagt hatte, und er nahm das Telefon und hatte das Gefühl, sie hätte ihm eine Last gereicht, schwerer als das Gewissen.
    Er musste sie nicht fragen. Sie bot an, ihn zu begleiten, damit er nicht allein sein musste im Angesicht dessen, was passiert war. Er würde der Fakultätsverwaltung sagen, dass bei ihm zu Hause eine schwierige Situation eingetreten sei und er abreisen müsse, aber versuchen würde, vor Beginn des Frühjahrssemesters zurück zu sein.
    Das Geschehene als »Situation« zu bezeichnen, war das Sicherste. Es verwies nicht nur auf die Taten, die geschehen waren, sondern auch auf den Ort dieser Taten. Es verwies nicht nur auf das Haus und die Straße und die Stadt, sondern auch auf die Region und die Provinz und das Land, wo seine Tante lebte, und auf die Beziehung aller dieser Orte zu den Orten um sie herum, ihren Zustand und ihre Verfassung, die Gebiete in noch weiterem Umkreis und so fort, bis der Kontext die ganze Welt wurde, mit einem kräftig pochenden Verbrechen in einem entlegenen unteren Quadranten. In seiner Vorstellung war das alles zusammen eine spezifische Situation und er sah sie wie in einem dramatischen Tableau, verborgen von einem Sandstaubschleier, der fein wie Mehl in der Luft schwebte und vom Rampenlicht angestrahlt wurde. Er wusste, dass er es sehen würde, wenn sie sich der Stadt von Westen her näherten und der Staubvorhang aus der gelben Erde stieg, als reckten sich Hände empor.
    Er hatte sich auf die Feiertage gefreut und darauf, mitten im nördlichen Winter in die Hitze der südlichen Hemisphäre entfliehen zu können, selbst wenn es nur eine Flucht in die trockene Schüssel der Karoo und in die gesellschaftliche Apathie von Beaufort West war, wo die Tage in der Gesellschaft seiner Tante und ihrer Freunde verstreichen würden, die alle das Neuste von seinem Leben im Ausland hören wollten und sich selbst danach sehnten, zu entkommen. Ellen hatte einen Ausflug zur Plettenberg Bay fürs neue Jahr geplant und auf dem Rückweg einen Aufenthalt in Prince Albert, weil man dort immer das Gefühl hat, es sei Frühling, egal zu welcher Jahreszeit, hatte sie gesagt.
    Als er an diesem Morgen im Bett lag, das Telefon immer noch in der Hand, fühlte er, wie die zerplatzten Erwartungen auf ihn herabregneten, und dann merkte er, dass der Regen nicht nur in seinem Kopf war, sondern draußen vor dem Fenster. Ein Eisschauer setzte sich am Fenster ab, verzerrte ihre Sicht auf den Verkehr, den kanariengelben Matsch der Taxis, und ließ die Bremslichter auf der West End Avenue bluten.

SAM
    Es ist ein drückender Tag Mitte Januar im Turm des Senatsgebäudes, die Fenster sind zu klein, die Luft steht, die Gebäude draußen stellen eine seltsame Mischung aus postindustrieller, brutalistischer Architektur und einer Art rückwärtsgewandter Zukunftsvision dar.
    »Wenn Kapstadt beschrieben werden kann als San Francisco trifft auf Miami Beach«, hat sich Sarah angewöhnt, Freunden in den Staaten zu erzählen, »dann ist Johannesburg Beverly Hills, gekreuzt mit Cleveland und Blade Runner .«
    Ich verbringe lange Stunden in diesem Büro, fahre jeden Tag hin und zurück auf der Jan Smuts Avenue, die immer brechend voll von Autos und durch die wechselnde Breite der Straße verstopft ist: Drei Spuren in eine Richtung wechseln zu zwei Spuren, dann zu einer, zurück zu zwei, und manchmal denkt man, es wären fünf Spuren in beide Richtungen, wenn die Straße tatsächlich nicht annähernd so breit ist.
    »Es gefällt mir hier«, hat Sarah heute Morgen gesagt, »das ist meine Vorstellung vom Paradies – in einem Häuschen in einem schönen Garten zu arbeiten, mit eigenem Swimmingpool und reichhaltigem Obst- und Gemüseangebot. Der einzige Nachteil ist diese hartnäckige Angst, dass ich beim Aufwachen in eine Gewehrmündung blicken könnte. Doch wahrscheinlich kann einem das überall passieren.«
    Ich halte an der Kreuzung von Jan Smuts und St Andrews; auf einer großen Reklametafel vor mir ist ein Hausangestellter in einer grünen Uniform zu sehen, der einen Fußball kickt, darüber der Slogan EINE VEREINTE NATION. Vor der Reklametafel stehen Wegweiser, die in verschiedene Richtungen weisen: nach rechts zur SCHMERZKLINIK, nach links zur

Weitere Kostenlose Bücher