Absolution - Roman
nicht stimmt. Ich weiß, dass Sie eine Geisel sind. Wenn Ihre Angreifer mich hören können, dann sollten sie wissen, dass ich ein Gewehr habe und dass ich die Polizei gerufen habe. Die Polizei ist unterwegs und alles wird gut.«
»Mr Thacker, Sie haben sich lächerlich gemacht. Hier ist niemand außer meinem Sohn.«
Das kleine Schwarz-Weiß-Bild von Donald Thacker zeigte einen fassungslosen Ausdruck und dann hörte Clare die Polizeisirenen und die Sirenen ihrer eigenen Sicherheitsfirma in einer anderen Tonhöhe. Eine weitere halbe Stunde war nötig, um die Verwirrung aufzulösen. Clare willigte ein, dass die Polizei und die Sicherheitsfirma das Haus durchsuchten, um sicher zu sein, dass keine Eindringlinge versteckt waren und nur darauf warteten, bis die Beamten wieder abzogen. Die Polizei fand das gar nicht komisch und drohte Mr Thacker an, er könne wegen missbräuchlicher Inanspruchnahme von Polizeizeit verurteilt werden.
»Im Ernst, ich habe geglaubt, dass etwas nicht stimmt«, sagte er und wedelte mit den Händen in der nächtlichen Luft herum. »Ich habe gedacht, ich handele als guter Nachbar und guter Bürger.«
Thacker sah so mitleiderregend und verängstigt aus, dass Clare die Polizei bat, ihn nicht anzuzeigen. Schließlich gingen alle wieder bis auf Thacker.
»Ich entschuldige mich«, sagte er, »aber Ihr Licht ist nachts fast nie an und ich war überzeugt, Sie seien allein.«
»Ich danke Ihnen für Ihre Sorge«, sagte Clare und schüttelte seine Hand so freundschaftlich, wie ihr möglich war. »Wir sollten jetzt zu Bett gehen. Mein Sohn muss morgen zeitig aufstehen.«
Clare ließ Thacker per Fernbedienung zum Tor hinaus und ging wieder ins Haus, wo sie Mark fast in der gleichen Haltung sitzen fand wie vor der Unterbrechung.
»Wirst du mir vergeben?«, fragte er.
»Für Laura? Oh, Mark, nein. Das kann ich nicht. Ich bin nicht befugt, zu vergeben oder zu verurteilen. Du hast getan, was du glaubtest tun zu müssen. Wenn du Vergebung willst, musst du Laura darum bitten. Ich bin nicht Laura«, sagte sie und stellte dabei fest, dass sie wütender auf ihren Sohn war als je zuvor. Clare war nicht nur die falsche Person für das Erteilen von Vergebung, sie war gar nicht in der Lage, zu vergeben, was Mark getan hatte.
»Aber Laura ist tot.«
»Und trotzdem«, rief sie und versuchte, eine unbewegliche Miene zu bewahren, wo sie sich schmerzhaft verzog. »Das sollte uns nicht abhalten, Laura um Vergebung für unser Versagen ihr gegenüber zu bitten.«
»Und wenn sie dich um Geld gebeten hätte?«
»Sie hat mich nicht gebeten. Doch ja, wenn sie mich gebeten hätte, hätte ich es ihr gegeben. Ich hätte es mir nicht lange überlegt, so wie ich es auch dir geben würde, wenn du bitten würdest. Aber mein Verhältnis zu euch beiden ist – war – anders als euer Verhältnis untereinander. Ich kann nicht sagen, dass du falsch gehandelt hast. Damals hast du geglaubt, du würdest tun, was du tun musstest. Jetzt bedauerst du es. Du möchtest, dass ich dir vergebe, doch aus meiner Sicht gibt es nichts zu vergeben. Ich mache dich nicht für Lauras Handeln verantwortlich, für das, was sie getan hat und was mit ihr geschehen ist, was das auch gewesen sein mag. Sie war nur für sich selbst verantwortlich. Ich hätte eine andere Art Mutter für sie sein können und das hätte vielleicht alles geändert. Wir können nicht sagen, dass ein Moment oder eine Reihe von Momenten bestimmte, was aus Laura wurde. Sie war erwachsen. Sie traf ihre eigenen Entscheidungen. Ich glaube, wir achten sie nicht, wenn wir annehmen, wir hätten sie so leicht umstimmen können.«
Am nächsten Morgen war es noch nicht hell, als schon die Nachricht kam, dass ein weiterer Pendlerbus von maskierten Bewaffneten beschossen worden war. Sechs Fahrgäste waren tot, Dutzende verwundet, wurde vermeldet. Krankenschwestern, die für höhere Löhne streikten, verbarrikadierten die Eingänge von Krankenhäusern, sodass Patienten und Krankenwagen und selbst die Ärzte nicht hineinkamen. Krankenhausangestellte tollten in Operationssälen herum, vollführten Protesttänze um Patienten in Narkose herum. Draußen auf den Bürgersteigen starben Verwundete. Eine Frau kam auf einem Parkplatz nieder. Von Krankenschwestern im Stich gelassene Psychiatriepatienten randalierten vor Hunger. Das Militär war gerufen worden, um die Ordnung wiederherzustellen und medizinische Nothilfe zu leisten, doch die Soldaten drohten auch mit Streik. Mittlerweile war gegen den
Weitere Kostenlose Bücher