Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
Vom Netzwerk:
dass du mit den Männern geschlafen hattest, vielleicht ihr alle drei zusammen, in schmale Betten gezwängt, auf dem Fußboden ausgestreckt, euch um Lagerfeuer im Busch herum wälzend. Eine Mutter stellt sich das wider Willen vor, die Komplikationen im Leben ihrer Kinder, die Konstellationen ihrer Körper, sie bangt um ihre Sicherheit und ihre Herzen und die Wunden, die sie davontragen. Ich befürchtete, du warst kein williger Partner, konntest dich ihnen jedoch nur unterwerfen, nur eine Falltür in die Nacht sein, in die sie krochen. Sie sprengten dich auf, ließen dich aber halb intakt, mit zersplittertem Rahmen und ausgehebelten Angeln, doch trotzdem noch erkennbar. Ich hatte Angst vor dem, was sie mir antun könnten, diese deine Vertrauten, die in der Nacht brutal sein mochten. Zuerst dachte ich, ich fände deinen Geruch an den Notizbüchern, könne deinen Schweiß und deine Sekrete durch die Einbände fühlen, deinen Atem in der Witterung von den Männern schmecken. Als sie gingen, presste ich deinen Brief an meine Nase und suchte dort nach dir.
    Nachdem sie deine Texte überreicht hatten, das Einzige, was jetzt von dir geblieben ist, schoben sie den Jungen nach vorn, in der Annahme, er gehöre zu mir, und mit der Bewegung zweier kleiner Füße wurde alles noch komplizierter. Die Vernunft sagte, ich hatte keine Verantwortung. Niemand anderer als du konnte ihn mir übergeben und du warst nur auf Papier anwesend, schwer fassbar und indirekt. Du hattest mir nicht gesagt, dass ich ihn aufnehmen soll, und da du es mir nicht gesagt hattest, konnte ich auch nicht wissen, was du wünschtest. Du hättest zu mir sagen sollen: »Nimm dieses Kind auf, Mutter, und sorge gut für es.« Ich hatte Führung nötig. Ich wartete auf einen Befehl.
    Ich weiß, Warten ist eine Form von Feigheit.
    Versteh doch, dass ich nicht Bescheid wusste, mir nicht gestattete, Bescheid zu wissen. Ich war zu verängstigt und zu egoistisch, um zu wissen, was ich tun sollte, um zu sehen, was hätte offensichtlich sein sollen, um das Bild zusammenzusetzen, das du geliefert hast im Geruch der Verbindung, der jenen Seiten noch anhaftete.
    Ich kann dich nur um Vergebung bitten. Ich habe dich schon zahllose Male gebeten und werde es wieder tun. Sag mir, was ich tun muss, die Buße, die ich anbieten muss. Zeig mir, wie ich dich bewegen kann fortzugehen.
    In den Wochen und Monaten nach deinem Ausscheiden aus der Redaktion des Record wurden unsere seltenen Zusammenkünfte noch seltener – kleinere Zeiteinheiten dehnten sich zu größeren aus, bis schließlich Jahre vergingen. Und wenn du dich dann doch herabließest, uns in dem alten Haus auf der Canigou Avenue zu besuchen, hast du fast nie mit mir gesprochen. Ich fand dich im Garten mit deinem Vater, und wenn ich mich mit einem Tablett Getränke näherte, verstummtest du. Nach solchen Treffen fragte ich William, was du gesagt hattest, und er antwortete immer: »So gut wie nichts. Ich habe das ganze Gespräch bestritten, habe Fragen gestellt, sie inständig gebeten, vorsichtig zu sein. Sie hat nicht um Geld gebeten, aber ich habe ihr jedenfalls etwas gegeben. Du hast doch nichts dagegen?«
    »Sei nicht albern. Du weißt, dass ich nichts dagegen habe«, sagte ich dann und wünschte mir, du hättest den Mut und den Anstand aufgebracht, mich zu bitten oder uns beide gemeinsam zu bitten. Da hätte ich gegeben, worum du auch gebeten hättest. Wenn wir auch nicht mit Sicherheit wussten, was du tatst, so hatten wir doch unsere Vermutungen. Die Gesetzestreuen sind nicht so auf der Hut, so vorsichtig. Wir stellten uns die Gefahr vor, in der du dich befinden musstest, und diese Vorstellung machte uns wahnsinnig, bis wir, von unseren Sorgen um dich gepeinigt, nachts keinen Schlaf mehr finden konnten, weil jedes Gleiten ins Unbewusste das Fallen in einen Albtraum war, in dem du zu Schaden kamst. Was habe ich versäumt, um dir zu vermitteln, dass ich dich mehr als alle anderen liebte und alles für dich getan hätte? Warum hast du mich zu deiner Gegnerin stilisiert, wo ich doch immer nur deine Unterstützerin sein wollte?
    Wenn ich deine anderen Notizbücher aus dieser Periode betrachte, sehe ich jetzt, dass deine Einträge immer rätselhafter werden. In den seltenen Fällen, wenn du berichtest, was Leute im Gespräch gesagt haben, lieferst du keine namentliche Zuordnung mehr. Anstelle von Namen stehen zunächst Initialen. Später fehlen auch diese, dafür gibt es verschiedene Tintenfarben: Rot, Schwarz, Blau, Grün –

Weitere Kostenlose Bücher