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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Bernard sich der Länge nach auf der Fahrerbank ausstreckte. Tiger war zwischen seinen Beinen und der Schwanz des Hundes schlug gegen den Bauch des Mannes. Sam schlüpfte nach dir aus dem Fahrerhaus und setzte sich vor einen Baumstamm, stocherte mit einem Stock in der Erde, bohrte zwischen seinen Füßen mit den roten Segeltuchschuhen im Staub, zog den Stock heraus, bohrte wieder, noch tiefer, zog den Stock heraus, ein Schimpanse, der Ameisen aus einem Loch zu holen versucht. Sein dunkles Haar war rot von einer Staubschicht und seine Haut schälte sich vom Sonnenbrand.
    Dir war klar, dass es klüger gewesen wäre weiterzufahren, aber der Junge starrte dich immer noch an, er öffnete den Mund, als wollte er sprechen, wandte sich dann wieder dem Stock und der Erde zu, bohrte und stieß in den Boden hinein, hoch und runter, ein Loch nach dem anderen.
    Autos kamen vorbei. Wenn du deine Rolle richtig hättest spielen wollen, hättest du die Reise fortsetzen müssen. Stattdessen aßest du einen Pfirsich und last die Zeitung, die dir nichts sagte, was du nicht schon wusstest, nichts, was die Behörden nicht jeden wissen lassen wollten. Man würde die Terroristen beschuldigen. In diesem Augenblick führte die Polizei Razzien auf mehreren Grundstücken und zwei entlegenen Farmen durch, die man im Verdacht hatte, als Trainingslager zu dienen. Hast du dir das Klopfen an meiner eigenen Tür an jenem Morgen vorgestellt, die Männer, die Erinnerungen, die jenes Klopfen an ein früheres Klopfen heraufbeschworen, viele Jahre früher, am Morgen nach einer ähnlich schrecklichen Nacht? Du schlugst dir den Gedanken an die Folgen für deine übrige Familie aus dem Kopf – du musstest es tun, um zu überleben. Das wenigstens verstehe ich.
    Und ich? Was ist mit mir? Was hätte ich sagen sollen, als die Männer Fragen stellten, als sie brüllten? Was wusste ich? Ich sage mir, dass ich nichts wusste, was zu diesem Zeitpunkt irgendetwas hätte ändern können. Vorher allerdings – wenn sie am Tag davor gekommen wären, oder noch einen Tag früher, und verlangt hätten, ich solle gestehen, was ich über die Pläne meiner Tochter und ihrer Verbündeten wisse, kann ich nicht sagen, was ich vielleicht preisgegeben hätte. Und warum, frage ich mich jetzt jeden Tag, der vergeht, warum habe ich nicht selbst die Chance ergriffen? Um dich zu retten, um andere zu retten, hätte ich dich verraten können. Hätte eine Niederlage an jenem Tag den Ablauf von irgendetwas geändert, das Verhältnis von verlorenen zu geretteten Menschenleben?
    Es gab nichts Neues für dich, du wusstest alles, worauf es ankam, an jenem Tag. Du kratztest im Sand und versuchtest, dich zu entscheiden – grausam, ein Vogel Strauß in der Wildnis.

1989
    Der Junge begriff, dass sein Onkel Bernard früher Soldat gewesen war und sich immer noch als Krieger bezeichnete. Das war ein Grund, alles Mögliche zu tun und nicht zu tun. Ein Krieger hörte keine Musik, außer wenn er in die Schlacht zog, und ein Krieger trainierte seinen Körper, damit er mit weniger auskam, nur einmal am Tag essen musste, höchstens zweimal. Ein Krieger kannte seinen Feind in- und auswendig. Ein Krieger musste sich fürs Überleben auf die Natur verlassen und deshalb musste der Krieger – was sagte er doch gleich? – die Scheißnutte ganz genau kennen.
    Das hieß, wenn sie diese Fahrten machten, gab es keine Musik.
    Ziehen wir in den Krieg? , fragte Bernard barsch, wenn der Junge sich erkundigte, ob er das Radio anmachen dürfe.
    Nein , sagte der Junge, obwohl er nicht wusste, ob das die Antwort war, die Bernard hören wollte.
    Dann gibt’s auch keine Musik, oder? Kein Krieg, keine Musik. Du musst dich konzentrieren. Musik und Essen, das lenkt einen beides ab, Mann.
    War mein Vater ein Krieger?
    Bernard lachte, ließ das Fenster herunter und spuckte in den Wind.
    Der Junge erinnerte sich an Autofahrten mit seinen Eltern, um seine Tante Ellen in Beaufort West zu besuchen, und einmal zu Freunden in Kenton-on-Sea. Das Radio war immer an, die ganze Zeit über, selbst wenn seine Eltern sich beschwerten, dass die Musik schrecklich war. Sie war dazu da, den Straßenlärm zu übertönen und den heißen Wind, der durch die Fenster hereinkam, wenn es ein trockener Monat war, oder den Regen, der aufs Dach trommelte, bis sie taub waren, wenn es Regenzeit war. Musik ließ die Stunden schneller vergehen, die sich dehnten, wenn man schnell im Auto unterwegs war. Der Junge schlief bei Musik immer ein, besonders bei

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