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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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ich.
    Am Ende des gestrigen Interviews habe ich Clare gefragt, wozu sie mich brauchen, warum sie nicht selbst über ihre Vergangenheit schreibt.
    »Sie meinen, warum ich mich nicht entschlossen habe, Memoiren zu schreiben?«
    »Ja. Oder eine Autobiografie.«
    Sie hatte mich an die Tür gebracht und versuchte, mich an Marie zu übergeben, damit ich aus dem Haus hinausgeführt wurde. »Ich kann mein Leben nicht als Ganzes sehen oder als fortlaufende Erzählung. Ich wüsste nicht, wie ich mein Leben auf diese Weise beschreiben sollte.«
    »Aber wie wäre es mit Fragmenten?«
    »Ja, Fragmente, vermutlich könnte ich Fragmente schreiben – ich habe Momente beschrieben, Übergangszeiten, habe traumatische Erlebnisse geschildert, besondere Traumata. Ich kann über Perioden meines Lebens schreiben, aber nicht über mein gesamtes Leben. Ich wüsste nicht, was ich aufnehmen und was ich weglassen sollte. Wahrscheinlich meine ich aber damit, dass ich geneigt wäre, so viel wegzulassen, dass sehr wenig übrig bliebe. Deshalb brauche ich Sie.«
    Ich habe nicht darauf gewartet. Das Bild kommt zu mir, als ich es nicht will, mitten in der Nacht, als ich bis oben hin mit Fisch und Bier abgefüllt bin.
    Ich stehe an der Fliegengittertür, nicht allein. Jemand legt seine Hand an den Holzrahmen. Er macht eine Faust und klopft dreimal. Es ist ein höfliches Klopfen, kein gebieterisches. Wir hören drinnen Schritte und dann öffnet sich die innere Tür und wir sehen ihr Gesicht hinter dem Fliegengitter. Sie fragt, wer wir sind und was wir wollen. Was wollen Sie? , fragt sie und ich höre heraus, dass sie höflich sein will, aber durch unseren Anblick beunruhigt ist. Wir sind Fremde und unsere Erscheinung muss auch fremdartig sein, abgerissen und ausgemergelt. Ich kann mich fast selbst riechen. Einer der anderen sagt, wer wir sind, und hält eine Tasche hoch. Sie führt uns durchs Haus, durch den düsteren Flur in der Mitte und in den Garten hinaus. Sie bewirtet uns mit Tee und Keksen. Sie sieht, dass wir immer noch Hunger haben, und geht wieder ins Haus, um Sandwiches zu machen.
    Oder erinnere ich mich falsch? Ließ sie uns auf der Veranda stehen, wo ein Fliegengitter zwischen uns war, und eine diskrete Hand verriegelte die Tür, die nicht schwer aufzubrechen gewesen wäre, nicht für uns drei, die wir tagelang unterwegs gewesen waren, so hungrig und durstig, dass wir hätten einbrechen können. Oder ist auch das eine falsche Erinnerung?
    Es ist ihr Gesicht hinter dem Fliegengitter, das mir erscheint. Das ist das Einzige, was ich mit einiger Klarheit sehe. Alles Übrige ist unsicher.
    Möglicherweise hat das letzten Freitag spät am Tag geführte Gespräch das Verhältnis zwischen uns verändert. An diesem Montagvormittag spüre ich, dass Clare und ich eine neue Ebene des Verständnisses erreicht haben oder zumindest dass sie anfängt, mir zu vertrauen. Sie spricht offener, daher komme ich auf Fragen zur Zensur zurück, weil sie auf diese bisher die ergiebigsten Antworten geliefert hat.
    »Sie haben die mentale Wirkung beschrieben, die ein Leben unter der Zensurdrohung hatte, aber wie hat das speziell Ihr Schreiben beeinträchtigt?«
    »Sehr einfach, es wirkte als ständige Ablenkung. Unter solchen Bedingungen kann man am Morgen nicht einmal den Stift aufs Papier setzen, ohne die Folgen zu bedenken, die ein jeder Buchstabe haben könnte, weil das zensierende Gehirn, das analysiert und sich am Gesetzestext orientiert, sogar hinter der Orthografie und Zeichensetzung eine Bedeutung sucht. Und an diesem Punkt weiß man, dass der Zensor gesiegt hat, weil das, was der Zensor am meisten wünscht, letzten Endes nicht die totale Informationskontrolle ist, sondern dass alle Schriftsteller sich selbst zensieren.«
    »Und, haben Sie’s getan?«
    Sie richtet sich auf, doch ihr gekrümmtes Rückgrat zwingt ihr immer eine etwas gebeugte Haltung auf, geierähnlich. Wie groß muss sie gewesen sein, ehe sich ihr Körper gegen sie wandte. Ich erinnere mich an jene Größe von früher, und wie einschüchternd sie war.
    »Ja und nein. Ich wollte nie die Art Bücher schreiben, die sie bevorzugt zensierten. Sie wissen das. Protest ist nicht schwer, auch journalistisches Schreiben nicht; sogar guter Journalismus benötigt heute nicht mehr als ein Notizbuch, ein Aufnahmegerät – wie Sie eins haben – und die Fähigkeit, beharrliche Fragen an jemanden zu stellen, der nicht antworten will, oder aber einfach die Welt zu beobachten und sie mit

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