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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Machtspiel.
    Ob er schon immer so zaghaft gewesen ist? Wie hat er sich als Kind verhalten? Ist deine Schilderung von ihm zutreffend oder auch wieder nur eine Inszenierung für mich? Was würdest du jetzt von ihm halten, Laura? In deinem Notizbuch duckt er sich ständig, zuckt zusammen, klammert sich an dich und zittert. Ein wenig davon erlebe ich auch jetzt, aber er hat darüber hinaus einen unheimlicheren Wesenszug. Er ist wie ein Raubtier, das sich verwundbar stellt, um seine Beute zu beruhigen.
    Eine giftige Rauchwolke wanderte die Küste entlang, den Wetterbedingungen gehorchend. Du konntest ihre schwarze Masse schon hinter dir am westlichen Horizont heraufziehen sehen. Bernard hielt an einer Tankstelle an, die einen eigenen Stromgenerator hatte; der Rest der Küste lag überall im Dunkeln, wie er vorausgesagt hatte. Sam schlief im Fahrerhaus, bewacht von Tiger, der keuchend seinen stinkenden Atem ausstieß. Du hast gewusst, dass es leichter gewesen wäre, einfach abzuhauen, aber du hast ein Telefongespräch mit mir vorgetäuscht. Du hast so gelacht, wie du nie bei mir gelacht hast, und ich habe dir gesagt, dass ich es kaum erwarten könne, dich wiederzusehen, so, wie ich es dir nie gesagt habe. Du hattest eine Geschichte parat, du würdest ihnen erzählen, dass die Pläne sich geändert hätten, dass ich gerade zu unserem Strandhaus aufbrechen wollte – einem Haus, das nicht existierte – und dass ich allmählich ein bisschen vergesslich würde und etwas durcheinandergebracht hätte. Aber als du zum Laster zurückkamst, war Sam wach und starrte dich an, sein Körper war ganz zusammengekrümmt gegen das Vinylpolster gedrückt. Er fragte, ob du weiter mitfahren würdest, und bevor dir deine ausgedachte Geschichte einfiel, hast du Ja gesagt, weil er den Eindruck machte, er habe Angst.
    Du hast eine Zeitung, Pfirsiche, noch eine Packung Safari-Datteln und Wasserflaschen gekauft und in deinen roten Rucksack gesteckt, obendrauf auf deine Kleidung, die ordentlich über den zuunterst versteckten Notizheften zusammengelegt war.
    Im Fahrerhaus stank es beißend nach Schweiß und Hundeatem, Vinyl und Benzin und der Junge dünstete einen Geruch wie nach faulen Eiern aus. Während Bernard fuhr, schaute Sam mit leerem Blick nach vorn auf die Straße. Alle paar Minuten drehte der Junge den Kopf und starrte dich an. Sein Schmollmund mit Schmutz in den Winkeln öffnete sich manchmal und ließ die kleinen Zähne sehen. In seinen Augenwinkeln war Schlaf. Keiner hatte ihm beigebracht, für sich selbst zu sorgen, nicht einmal den Schlaf aus den Augen zu wischen. Du lächeltest ihn an, als wolltest du sagen: »Ja? Frag mich, was du willst, erzähl mir was, was stimmt nicht, warum hast du Angst?« Aber Sam starrte dich nur an, sein Mund hart und gleichgültig, die Augen groß und leer im Schädel. Nicht der Ausdruck eines normalen Kindes.
    Es dämmerte fast schon, als Sam aus der Nase zu bluten anfing. Du hast ihm mit einem Zellstofftaschentuch geholfen und gedrückt, bis kein Blut mehr kam. Du hast ihm das Gesicht abgewischt und er hat es weggedreht und im Polster vergraben. An den Geruch von Blut warst du zwar gewöhnt, aber in der Hitze des geschlossenen Fahrerhauses war er überwältigend, der Gestank nach heißem Eisen. Du hast dein Fenster geöffnet, doch Bernard hat dich aufgefordert, es zu schließen. »Manchmal fliegen Kiesel rein. Ich schalte lieber die Lüftung ein. Wir machen bald halt. Dem blutet immer die Nase. Wie’n Mädchen. Was für’n Mädchen bist du nur, Sam, ein kleines Mädchen, hä?«
    Nach einer weiteren Stunde Fahrt hielt Bernard an einem Picknickplatz. Er parkte den Laster im Schatten eines dichten Eukalyptushains neben der Straße, die scharfkantigen Blätter der Bäume rasselten. Es hätte irgendwo an irgendeiner Straße in der Kapregion sein können. Es gab nichts hier, was den Platz einzigartig machte – die gleiche Baumgruppe, die gleiche Betonbank mit Picknicktischen wie überall und bei diesem Platz vielleicht auch ein Standrohr für Wasser. Es gab keine Toiletten, nicht mal einen Grillplatz oder ein Notruftelefon.
    »Ich schlafe jetzt«, sagte Bernard. »Du kannst bleiben und warten oder fortgehen. Wie du willst. Ich hab nichts gegen deine Gesellschaft, möchte dich aber nicht aufhalten, wenn deine Mutter dich erwartet.«
    »Und was ist mit dem Jungen?«
    »Sam geht’s gut.«
    Du bist um den Picknickplatz herumgelaufen und hast Ausschau gehalten, wo du dich niederlassen könntest, während

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