Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
Vom Netzwerk:
der altmodischen Musik, die seine Eltern liebten, und er wachte im Dunkeln auf, wenn sie die Straße erreichten, in der seine Tante wohnte. Und er merkte, wie er von seiner Mutter oder seinem Vater hineingetragen und zwischen die Laken gesteckt wurde, die straff über die Polster des Sofas im Wohnzimmer der Tante gespannt waren.
    In dieser Nacht auf der Straße mit Bernard dachte der Junge daran, dass er seine Tante mindestens ein Jahr lang nicht gesehen hatte. Er fragte sich, ob er sie je wiedersehen würde. Irgendwo hatte er bestimmt ihre Telefonnummer und Adresse. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie ihn bei Bernard lassen würde, wenn sie nur wüsste, wie die Dinge standen. Er fragte Bernard, ob sie sich nicht eine Katze oder einen Hund anschaffen könnten, um etwas Gesellschaft auf den langen Fahrten zu haben. Ich führe doch keinen verdammten Zoo, hatte Bernard gesagt, ich mag keine Tiere. Der Junge versuchte wach zu bleiben und Bernard aus dem rechten Augenwinkel zu beobachten, die Straße mit dem linken, doch die Bilder flossen immer wieder zusammen, sodass das Gesicht des Mannes schwarz wurde und die Straße weiß. Als der Junge einschlief, stellte er sich vor, dass er die Kraft besäße, Bernard so vor den Laster zu binden, dass sein Kopf wie der Gleisräumer vor einem Zug wäre, und er träumte, er führe den Laster so schnell, dass Bernards Gesicht schwarz von der Straße wurde und die Straße weiß von seinem Gesicht.

SAM
    Samstagabend. Unter beträchtlichen Kosten hat Greg Nonyameko für den Abend herbestellt, damit wir beiden in ein Restaurant gehen können. Wir fahren ins Stadtzentrum, parken in der Kloof Street und treffen uns auf ein Glas mit einem der Künstler, die von Gregs Galerie betreut werden. Die Nacht ist warm, deshalb beschließen wir, hinunter zum Saigon zu laufen und Sushi zu essen. Als wir an der Hoërskool Jan van Riebeeck vorbeikommen, tritt eine junge Frau aus der Dunkelheit hervor.
    »Entschuldigen Sie, ich möchte nicht unhöflich sein«, sagt sie. Geleitet von einem gewissen Großstadtinstinkt wende ich mich ab. Die nächsten Worte höre ich nicht. Aus den Augenwinkeln mustere ich ihr Gesicht und ihre Kleidung und frage mich, wo ihr Klemmbrett ist. Entweder führt sie eine Umfrage für die Stadt durch, denke ich, oder sie verkauft Zeitschriftenabos oder wirbt für eine Wohltätigkeitsorganisation.
    Dann kommt die Geschichte raus und ich muss einfach zuhören. Sie macht Gelegenheitsarbeiten für verschiedene Leute, konnte aber heute keine Arbeit finden. Sie glaubt nicht, dass die neunzig Rand für eine Übernachtung im Obdachlosenasyl aus dem Himmel herabfallen werden. Sie hat eine Tochter. Sie haben ihr Zuhause verloren. Sie fängt an zu zittern. Ich verharre in abgewandter Haltung. New York hat mich gegen solcherlei flehentliche Bitte abgehärtet. Aber Greg hört zu, fragt mich, ob ich etwas Geld habe, ein paar Münzen, er habe kein Kleingeld. Ich ziehe meine Brieftasche, hole die größten Silbermünzen aus dem Münzfach und ignoriere die Hunderte von Rand in Scheinen. Die Frau hat einen gebildeten Akzent; sie ist nicht betrunken und wirkt auch nicht bekifft. Während ich überlege, ob ich ihr fünfzehn oder zwanzig Rand geben soll, hat sie ihr Gesicht bedeckt und zu weinen angefangen. Vielleicht ist sie Schauspielstudentin, denke ich. In New York habe ich Schauspielstudenten gekannt, die, um ihr Können zu testen, zum Betteln auf die Straße geschickt wurden. Die Übung wurde benotet nach der Höhe der Zuwendungen, die jeder Student erhielt. Die dünnsten bekamen immer Bestnoten.
    »Bitte«, sage ich und schütte ihr die Münzen in die Hand. Sie murmelt: »Ich schäme mich, ich schäme mich so.« Ich weiß, dass das Geld nicht reicht. Ich sage ihr, sie solle sich nicht schämen, und halte ihren Blick fest und wiederhole es. Über den Augen hat sie einen Halbmond dunkler Sommersprossen. Ihre Kleidung ist gut, aber schmutzig.
    »Für eine Bitte braucht man sich nicht zu schämen«, sage ich und wir gehen weiter. Fünfzehn oder zwanzig Rand sind für mich nichts – weniger als fünf Dollar, weniger als vier.
    Während wir bergab gehen, sagt Greg: »Ich konnte nicht an ihr vorbeigehen, wo ich doch weiß, dass wir gleich mehrere Hundert Rand für rohen Fisch und Bier ausgeben werden. Ich glaube, sie hat die Wahrheit gesagt. Es hätte sich um Drogen oder was anderes handeln können, aber ich glaube, sie hat die Wahrheit gesagt.«
    »Es spielt eigentlich keine Rolle«, sage

Weitere Kostenlose Bücher