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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Radkappen klaut – dann musst du dir sagen, wer es auch war, er braucht es dringender. Nur so kann man in Frieden mit sich leben.«
    »Ich möchte auf keinen Fall, dass es wie Wohltätigkeit wirkt.«
    »Denk doch an all die Arschlöcher, die ihnen nur fünfzig Cent geben und sich keinerlei Gedanken machen. Geld ist keine Beleidigung. Wohltätigkeit ist kein Fehler. Es muss nicht alles Bezahlung sein für geleistete Dienste, wie inoffiziell auch immer. Und als Tourist schuldest du ihnen ein wenig mehr.«
    »Ich halte mich nicht länger für einen Touristen. Ich bin zurückgekommen.«
    »Du bist schon lange kein Einheimischer mehr, Sam, ganz gleich, welches Hemd du trägst oder welche Musik du hörst. Und wer sagt denn, dass du auf Dauer hier bleiben wirst? Sarah hat ihre Stelle für wie lange – achtzehn Monate?«
    »Drei Jahre, wenn sie will.«
    »Aber dann werdet ihr woandershin gehen. Das heißt, du bist Tourist. Deshalb brauchst du dich nicht schlecht zu fühlen. Vergiss es nur nicht.«
    »Und wie viel gibst du?«
    »Nein, schau mal, es ist doch so, dass ich weniger gebe, als ich es von dir erwarte, weil ich jeden Tag gebe, und das seit Jahren. Ich beschäftige eine Kinderfrau, die an sechs Tagen der Woche kommt, einen Gärtner, der zweimal wöchentlich kommt, eine Hausangestellte, die dreimal wöchentlich kommt, und ich gebe dem alten Mann, der jeden Freitag an meine Gartentür kommt, Esspakete. Ich gebe meiner Hausangestellten und meiner Kinderfrau Geld, damit sie ihre Kinder in die Schule schicken können. Ich kaufe die Schuluniformen. Ich bezahle für ihre medizinische Versorgung. Wenn ich in der Stadt parke, gebe ich den Parkplatzwächtern nicht so viel, wie ich von dir erwarte, weil ich sonst schon so viel gebe, und selbst das ist ja nicht genug. Und ich gebe auch keinem, der an meine Tür kommt, mehr Lebensmittel, außer dem alten Mann, weil er nie betrunken ist. Ich bin also einer von den Arschlöchern, die ich hasse. Aber ihr Touristen, ihr müsst schon ein bisschen mehr geben.« Er spricht schnell, während sein Sohn mit der Perlenkette um seinen Hals spielt. »Dylan, zerr nicht an Daddys Kette.« Er schaut lächelnd zu mir hoch. »Ich habe gerade gedacht, wie wär’s, wenn wir heute Nachmittag zum Hafen gingen? Dort hat eine neue Saftbar aufgemacht und mir ist nach Shoppen. Wir lassen Dylan bei Nonyameko. Danach können wir ins Kino gehen.«
    Ein anderer Tag. Clare führt mich in dasselbe Zimmer, das wir beim ersten Interview benutzt haben. Diesmal hat sie für mich den Summer am Eingangstor betätigt und mir die Haustür selbst geöffnet. Die Assistentin muss ihren freien Tag haben. Wir sitzen wieder auf denselben Stühlen. Die Katze kommt ins Zimmer, nur springt sie diesmal auf meinen Schoß statt auf ihren. Laut schnurrend sabbert sie auf meine Jeans und gräbt ihre Krallen in meine Beine.
    »Katzen lieben Narren«, sagt sie, ohne die Miene zu verziehen.
    »Können wir zu Ihrer Schwester zurückkehren?«
    »Ich wusste, dass Sie Nora nicht im Grabe lassen würden.« Sie wirkt müde, noch abgespannter als beim ersten Mal. Ich weiß, dass die Geschichte der Schwester von der Hauptroute weg führt. Das ist nicht die Geschichte, die ich eigentlich hören will, doch sie könnte mich letztlich dorthin führen.
    »Ist Ihre Schwester immer politisch gewesen?«
    »Ich glaube, sie hielt sich für unpolitisch, wie ich mich auch. Aber das ist nicht ganz richtig. Ich bin nicht unpolitisch. Ich bin auf private Weise politisch. Doch wenn man ein Leben in der Öffentlichkeit wählt – entweder durch die Karriere oder durch den Umgang, den man hat, oder durch Heirat –, dann ist das etwas anderes. Sie wählte ein Leben in der Öffentlichkeit, indem sie eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens heiratete.«
    »Das Leben eines Schriftstellers ist kein Leben in der Öffentlichkeit?«
    »Nein«, sagt sie und lächelt – entweder herablassend oder, so schmeichle ich mir, die Parade genießend. »Es war unzumutbar, als Persönlichkeit des öffentlichen Lebens in diesem Land zu jener Zeit eine unpolitische Haltung einzunehmen. Sie war ein Opfer ihrer Naivität. Sie hätte wissen sollen, dass sie ihren eigenen Tod heraufbeschwor. Aber sie war die Erstgeborene. Unsere Eltern begingen Fehler. Vielleicht ließen sie sie im Bettchen weinen, statt sie zu trösten. Oder sie waren streng, wo sie vertrauensvoll hätten sein sollen. Sie hat es immer verübelt, dass ich mir mit dreizehn die Beine rasieren und die Lippen

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