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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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senken zu lassen. Das salzige Haar hing dir strähnig ums Gesicht, während du den Wellen zusahst, wie sie heranrollten und sich zurückzogen. Auf den Rücken fallend, starrtest du in den weißblauen Himmel, bis dein Vater einen Schirm aufstellte, um uns Schatten zu spenden.
    »Wenn Sie die Person, die uns am nächsten ist, beobachten, können Sie sehen, dass wir das Halteseil beträchtlich gelockert haben, das Wasser reicht ihr schon bis an die Knöchel. Es dauert nun nicht mehr lang, bis die Wellen den Käfig mit hinaus in die Brandung nehmen, das nennen wir die ›Testschwelle‹. Wenn sie das aushalten, ohne zu schreien, dann wissen wir, dass sie nicht zu brechen sind, und wir können sie ebenso gut ganz hinauslassen. Das ist auch ein sauberes System, weil es, wenn wir sie bis auf fünfhundert Meter hinausgelassen haben, einen automatischen Mechanismus gibt, der den Käfig für Raubfische öffnet, für Haie und dergleichen, und wir lassen sie einfach dort draußen, bis wir etwas Bewegung im Wasser sehen, und dann wissen wir, dass wir den Käfig wieder hereinholen können, mehr oder weniger leer.«
    »Da ist dann kein Begräbnis nötig.«
    »Was übrig geblieben ist, wird eingeäschert. Manchmal holen sich die Raubfische alles. Das nennen wir ›komplette Verwertung‹. Uns bleibt keine Arbeit, als den nächsten hineinzustecken.«
    »Aber es gibt vermutlich einige, die aufgeben?«
    »Wie der Bursche da drüben, der vor ein paar Minuten geschrien hat. Sie sehen, dass meine Männer sich ins Wasser hinausbegeben haben, sie holen sich, was sie sich holen müssen, und wenn er ihnen nicht alles gibt, was sie wollen, dann geht er wieder raus. Manchmal müssen sie ein Dutzend Mal rausgehen, ehe die begreifen, dass wir es ernst meinen; sie schreien jedes Mal, erzählen uns aber nicht alles, was wir hören wollen, und raus mit ihnen. Solche brechen aber am Ende immer zusammen. Es ist das effizienteste System, das wir entdeckt haben, und es hat auch eine ökologische Funktion. Die Fischbestände in dem Gebiet haben sich in den vergangenen drei Jahren verzehnfacht.«
    »Das ist sozusagen das Gericht letzter Instanz für die schwersten Fälle.«
    »Das sind die, die schon alles andere durchgemacht haben und deren Wille immer noch nicht gebrochen ist. Ich kann es nicht erklären, was es mit dem Meer auf sich hat, eine Art natürlicher Rhythmus, der sie zu Tode erschreckt. Wir haben auch herausgefunden, wie man es am besten macht. Man lässt sie einen Tag lang an der Luft, in sicherer Fixierung, und lässt sie braten. Am nächsten Morgen dann, nachdem sie die ganze Nacht vor Sonnenbrand gezittert haben, ziehen wir die Käfige hinunter zum Wasser und lassen die Flut ihre Magie entfalten. Es ist wunderbar anzusehen. Es hat etwas Erlösendes.«
    Deine Finger und Zehen brannten und ein pulsierender Schmerz ging von ihnen aus, als das Salz das entblößte Fleisch angriff, wo die Nägel herausgerissen worden waren, und die wunden Stellen auf deinem Rücken wurden durch den Sand gereizt, den die Brise hochwirbelte, und durch unablässige Flohstiche. Du merktest, dass deine Haut von der Sonne verbrannt war, als du deine nackten Schenkel aneinanderriebst oder deine Handgelenke in ihren Fesseln zurechtrücktest. In deiner Mundhöhle war ein wattiges Gefühl und du hast die Augen geschlossen, um die noch vorhandene geringe Feuchtigkeit zu erhalten. Schlaf war unmöglich wegen der Anstrengung, die nötig war, um dich aufrecht zu halten; wenn du dich entspannt hättest, hätten die Fesseln dir ins Fleisch geschnitten, und es würde nicht lange dauern und sie wären bis zum Knochen vorgedrungen. Ich habe so lange widerstanden, ich schaffe es noch länger. Es ist nicht mit Krankheit oder Fieber zu vergleichen, nicht einmal mit Scham. Nacktheit spielt keine Rolle mehr. Sie können mir antun, was sie wollen, sie können zuschauen, wie ich pinkle und mich vollscheiße, wenn ich noch etwas in mir hätte, um zu pinkeln oder zu scheißen. Nichts im Magen, was ich herauskotzen könnte, nicht einmal Galle. Das ist nicht das Schlimmste, was sie getan haben. Es ist beinah eine Erleichterung.
    Überm Sand aufgehängt zu sein erzeugte vielleicht nicht heiß aufsteigende Scham oder das Frösteln der Übelkeit, war aber dennoch sowohl heiß als auch kalt. Scham hatte es drinnen reichlich gegeben. Du wolltest dich nicht daran erinnern, was sie dir angetan hatten, um dich zu beschämen; es war unmöglich, in Gedanken dahin zurückzukehren und noch du selbst

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