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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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das Viertel geändert hat und auch wieder nicht.
    Ich fühle, so hätte es sein können, wenn ich nur gewusst hätte, was sie trieben. Aber ich muss doch bestimmt etwas davon geahnt haben, was sie taten, wenn mein Vater sich nicht seinem Jurastudium widmete und meine Mutter sich nicht um mich kümmerte oder auf der Schreibmaschine hämmerte. Aber vielleicht gehörte die Schreibmaschine auch dazu. Sie gingen abends aus dem Haus und ließen mich bei Mrs Gush, der alten Frau ohne Zähne, die mir Lieder ins Ohr zischte und kalte »Suppe« aus Eiskrem und Milch machte, in die sie Guaven aus der Dose hineinschnitt. Manchmal verschwand mein Vater allein tage- oder wochenlang. Andere Male kamen Freunde meiner Eltern – darunter auch Laura – zu uns und redeten die ganze Nacht lang miteinander. Ich lauschte an meiner Schlafzimmertür und versuchte mitzubekommen, was sie sagten. Einige waren nicht von hier; sie hatten einen seltsamen Akzent oder sprachen gebrochenes Englisch. Meine Eltern kannten Leute aus aller Welt. Das gehörte auch dazu, begreife ich jetzt – der Umgang, den sie hatten, die Gefahr ihres Netzwerks, die offiziellen wie auch die inoffiziellen Verbindungen.
    Ich muss gespürt haben, dass an unserer Familie etwas anders war. Ihnen war bestimmt mal etwas Wichtiges herausgerutscht. Wenn ich mich an die Schreibmaschine erinnere, dann muss ich gewusst haben, dass sie auf irgendeine Weise wichtig war. Wie Laura war auch meine Mutter Journalistin. Daher kannten die beiden sich – aus diesem Zusammenhang und vielleicht auch aus anderem. Meine Mutter hatte wie mein Vater Jura studiert; beide waren Studenten bei William Wald gewesen, doch während mein Vater seinen Master machte, sorgte meine Mutter mit ihrer journalistischen Arbeit für unseren Lebensunterhalt. Manchmal nahm sie mich nach der Schule in ihrem Auto mit und ich saß dann neben ihr und las ein Buch, während sie Leute interviewte. Aber als ich in den Archiven des Cape Record , der Zeitschrift, für die sowohl sie als auch Laura arbeitete, suchte, fand ich keine Artikel, die in der Verfasserzeile meine Mutter nannten. Laura ist dort vertreten, aber meine Mutter nicht. Vielleicht hat sie in anderer Funktion gearbeitet, als Redakteurin oder Assistentin, oder vielleicht habe ich mich immer getäuscht und sie hat die Leute nur glauben lassen, sie sei Journalistin, weil sie etwas völlig anderes machte.
    Ich sehe meine Eltern vor mir, wie ich mich zuletzt an sie erinnere, auf der Veranda unseres Hauses in Woodstock, so wie es war, als wir dort wohnten. Sie beugen sich beide herunter, um mich zu küssen, als sie mich in der Obhut von Mrs Gush zurücklassen. Mein Vater trägt Kakihosen und ein blau kariertes Hemd. Meine Mutter hat ihr Haar mit einem Tuch zurückgebunden und trägt ein rotes Top und einen Kattun-Wickelrock. Nachdem sie gegangen waren, saß Mrs Gush im Wohnzimmer, während ich in meinem Schlafzimmer ein Buch las. Eine Stunde nach der Zeit, zu der meine Eltern zurück sein wollten, kam Mrs Gush zu mir und fragte, was sie meiner Meinung nach aufgehalten haben könnte. Ich sagte, ich wisse es nicht – sie wollten Freunde besuchen. Eine Stunde später war die Polizei an der Tür. Mrs Gush nahm mich mit hinaus und hielt mich bei den Schultern, als die Polizei das Haus durchsuchte. Ich verstand nicht, warum sie das machten, und gleichzeitig wusste ich genau, warum. Nach einer halben Stunde kamen sie heraus mit Büchern und Mappen und der Schreibmaschine meiner Mutter. »Es wird sich jemand melden wegen des Jungen«, sagte einer von ihnen. »Können Sie sich heute Nacht um ihn kümmern?« Mrs Gush protestierte und dann sagten sie, wenn sie es nicht machen könne, müsse ich die Nacht auf der Polizeiwache verbringen. Als ich sah, dass sie die Schreibmaschine meiner Mutter mitnahmen, schrie ich und versuchte, sie aus den Armen des Beamten, der sie trug, zu reißen. »Können Sie den Jungen nicht bändigen? Sonst bekommt er Schwierigkeiten, wie seine Eltern«, sagte der Polizist. Mrs Gush zog mich weg und brachte mich ins Haus zurück. Der Inhalt von Schubkästen lag auf dem Boden und Möbel waren umgestürzt, die Sitzflächen der Couch und der Sessel aufgeschlitzt. Mein Schlafzimmer, stets ordentlich und aufgeräumt, war in ein wüstes Durcheinander von Spielzeug und Büchern und Kleidern verwandelt worden. Ich fing an zu weinen. Mrs Gush sagte, Weinen sei zwecklos, und half mir beim Aufräumen.
    Wenn ich gewusst hätte, was meine Eltern vorhatten,

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