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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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scheint hier jeden zu kennen und nach zwei Stunden, verbracht mit Essen und Spielen und Drängen durch die Menge, um vegetarische Wraps und Gebäckstücke und Eiskaffee zu kaufen, sage ich ihm, dass ich jetzt mein altes Haus suchen will und später wieder zu ihnen stoße.
    Ich schlängele mich durch die Autos auf der Albert Road und gehe, der Karte in meinem Kopf folgend, zurück in Richtung Stadtzentrum; nach einigen Ecken nehme ich die Dublin Street, überquere die Victoria und biege in die Kitchener ein.
    Der Devil’s Peak ragt auf, obwohl der Berg mir nicht so massiv erscheint, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Und während sich die Straße innerhalb zweier Jahrzehnte nicht sehr verändert hat, wirkt sie doch schmaler, beengt und abgegrenzt. Einige der Häuser sind baufälliger geworden, andere sehen aus, als wären sie vor Kurzem renoviert, frisch verputzt und mit Schutzgittern versehen worden, die die Veranden vorm Haus sichern. Aus einem der schäbigeren Häuser dringt pulsierend Kwaito-Musik. Aus einem Haus weiter oben, das ein neues Stockwerk auf dem ursprünglich einstöckigen Gebäude bekommen hat, dringen die Klänge eines Streichquartetts aus einer Stereoanlage, die Fenster sind alle aufgerissen und die hitzematten Gardinen wehen sacht durch die Gitterstäbe.
    Ich dachte, dass ich das Haus erkennen würde, ohne nach der Nummer schauen zu müssen, doch ehe ich es mich versehe, bin ich an der Ecke Salisbury Street und muss meine Schritte zum Haus mit dem neuen Stockwerk zurücklenken und dann sehe ich, dass man unser altes Haus mit dem Nachbarhaus zusammengelegt hat. Beide waren einmal weiß, aber der neue Bau hat einen dunkelgrauen Anstrich mit schwarzer Verzierung und anstelle der ursprünglichen schrägen Dächer ragt jetzt oben ein Glas- und Stahlwürfel heraus. Es gibt ein neues Tor und die ganze Vorderveranda ist mit Eisenstangen in geometrischen Mustern vergittert. Durch die offenen Fenster kann ich ins Innere sehen: Der Wandanstrich hat die Farbe von Blut, die Decke ist mit Bambus verkleidet, kongolesische Masken hängen an den Wänden – »schwarze Magie«, würde Greg sagen. Eine Frau in einem der vorderen Zimmer beobachtet mich durchs Fenster.
    Drei Jungen auf Fahrrädern fahren vorbei und rufen sich etwas zu. Eine Katze läuft ihnen über den Weg und sie schreien aufgeregt, bis sie unter einem parkenden Auto verschwindet. Über uns zerteilen die Rotorblätter eines Hubschraubers lautstark die Luft und in der Ferne, in Richtung des Berges, hupen durchdringend Autos und Taxis auf dem Eastern Boulevard. In meiner Erinnerung ist das ein ruhiges Viertel, aber vielleicht war es das nie.
    Die Frau tritt auf die Veranda heraus und schaut mich an und sieht dann die Straße hinauf und hinunter, als erwartete sie jemanden.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, ruft sie. Sie hat einen fremden Akzent – vielleicht deutsch oder holländisch.
    »Ich habe früher hier gewohnt – in jener Hälfte«, sage ich und zeige auf den Südteil des Hauses.
    »Oh? Das ist wohl lange her? Wir wohnen seit fünf Jahren hier. Wir haben die zwei zusammengelegt. Eins war einfach zu klein. Beide waren richtige Löcher. Diese Straße war mal die Hölle. Jetzt hat sie sich verbessert. Wir würden vielleicht verkaufen. Ich würde Ihnen einen guten Preis machen. Wollen Sie es zurückkaufen? Es ist wohl lange her, dass Sie hier gewohnt haben?«
    »Ja, es ist lange her.« Ich sehe meine Eltern im vorderen Zimmer, wie es einmal war, mit seinen beigefarbenen Wänden, mein Vater an einem Ende des Esstisches über seine Bücher gebeugt, meine Mutter am anderen Ende auf einer alten Reiseschreibmaschine hämmernd, während ich mit Buntstiften und Bleistiften auf weiße Packpapierstreifen malte, die auf den nackten Dielenbrettern ausgerollt waren.
    »Das hab ich mir gedacht.« Die Frau schaut wieder die Straße hinauf und hinab. »Ich würde Sie hereinbitten, aber ich koche gerade und mein Mann ist nicht da und normalerweise bitte ich keine fremden Männer herein, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Das ist in Ordnung. Das habe ich auch nicht erwartet.«
    Ich versuche mir vorzustellen, welche Version meines Lebens mir erlaubt hätte, in Kapstadt bei meinen Eltern zu bleiben, in jenem Haus aufzuwachsen, sie darin alt werden zu sehen, es vielleicht schließlich zu verkaufen und in eine ruhigere Gegend zu ziehen, in einen Bungalow in Hermanus mit Blick aufs Meer, und wir drei könnten dann gemeinsam hierher zurückkommen und bestaunen, wie sich

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