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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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zu bleiben.
    Du hörtest die Stimmen der Wärter und der Beamten, die sie begleiteten, konntest aber keine einzelnen Wörter verstehen; sie verbrachten mehr Zeit mit der Beobachtung, als du erwartet hattest, als wohnten sie einem Testspiel bei, mit Imbiss- und Teepausen. Wenn du den Kopf nach der einen oder anderen Seite wendetest, konntest du Käfige wie den deinen sehen, die sich zu beiden Seiten hinzogen, neun zur Linken, fünfzehn zur Rechten, die am weitesten entfernten gerade noch in Sichtweite; einige waren auf der Höhe deines Käfigs, andere waren näher zum Wasser. Im Käfig links von dir war eine junge Frau. Wie du nahm sie alle Kraft zusammen, um sich aufrecht zu halten, damit ihr die Fesseln nicht in die Gliedmaßen schnitten. Du glaubtest sie von drinnen zu kennen, aber so ganz ohne Haare und etliche Meter entfernt, wie sie war, konntest du nicht sicher sein. Du hast sie mit einem Zungenschnalzen angesprochen, wie ihr es euch beigebracht hattet, aber sie reagierte nicht; vielleicht war sie in anderen Gefilden unterwegs. Die Wärter waren zu weit weg, um mitzubekommen, was du machtest. Als du den Kopf nach rechts gedreht hast, hast du festgestellt, dass der Käfig auf dieser Seite näher war, und du erkanntest einen Freund von drinnen. Zusammen hattet ihr das alte Alphabet gelernt, das von einem der ersten Gefangenen erfunden worden war und dann über die Jahre hin weitergegeben wurde. Für die Wärter war es nur sinnloser Lärm.
    »Hallo, Freund. Sie beobachten uns nicht.«
    »Haben sie dich heute Morgen gebracht?«
    »Weiß ich nicht. Du solltest dich aufrecht halten. Deine Handgelenke.«
    »Morgen ist so oder so alles vorbei.«
    Du hast dir überlegt, wie lange ihr Freunde gewesen seid. Ihr hattet euch mindestens fünf Jahre vor eurer Ergreifung kennengelernt. Eure Körper hatten sich nicht deutlich verändert; ihr wart jetzt dünner, euer Gesicht war verzerrt, aber ihr wart noch wiederzuerkennen.
    »Ich werde nicht schreien. Und du?«
    »Nein.«
    Es hatte keinen Zweck zu schreien. Du glaubtest zu wissen, wie es sein würde, wenn man ertrank, mit drei Jahren warst du beinah im tiefen Ende des Pools ertrunken. Als du gezwungen warst, von der Leiter weg ins Tiefe zu schwimmen, hast du zuerst panisch reagiert, und als du dann langsam zum Boden des Beckens hinuntergesunken bist, hast du dich entspannt, dir ist die Luft ausgegangen, und plötzlich hast du dich auf dem Zement neben dem Pool wiedergefunden, der Mund der Schwimmlehrerin war auf deinen gepresst, aus ihren Gesichtsfalten tropfte Wasser und andere Kinder standen im Halbkreis um dich herum und schauten neugierig zu, als die große, dicke Frau dich beatmete und der Welt wiedergab. Das Beinahe-Ertrinken war nicht so schlimm; ich hätte es der Wiederbelebung vorgezogen. Warum hatte ich panisch reagiert? Ich konnte schwimmen; ich bin geschwommen, bevor ich lief. Ich habe mit jemandem gesprochen, mit einem braunhaarigen Jungen, und ich habe Wassertreten versucht und dann war ich unter der Oberfläche, sank an den anderen kleinen Körpern und dem runden Unterleib der Schwimmlehrerin vorbei.
    Das Licht änderte sich allmählich und eine heiße Brise blies aus dem Landesinneren und schleuderte Sand gegen deinen sonnenverbrannten Körper und du fingst an zu frösteln, zermürbt von der sonnenbranderzeugten Übelkeit, die kommt, wenn das Licht schwächer wird. Die Frau zu deiner Linken und der Freund zur Rechten fingen auch an zu schaudern und zu zittern.
    Fandst du dort dein Ende? War so dein Ende?
    Es ist mein Albtraum. Ich träume ihn jede Nacht, jede Stunde, seit zwei Jahrzehnten.
    Das ist alles, was ich sehen kann.

Teil II

SAM
    Greg schlägt einen Besuch in meinem alten Viertel vor, ehe ich morgen nach Johannesburg abreise. Unsere erste Station ist der Wochenendmarkt in der Alten Keksfabrik, proppenvoll von coolen Typen aus der Nachbarschaft auf Shoppingtour. Sie kaufen überteuerte Backwaren, kunstgewerbliche Artikel und afrikanische Masken, die mit mattweißer Farbe besprayt wurden, damit sie schicker wirken. Neben alldem existieren immer noch die heruntergekommenen Läden auf der Albert Road, wo die Parkwächter mit wilden Armbewegungen signalisieren, dass das Parken auf einer durchgezogenen Linie total in Ordnung ist, weil das jeder macht und die Verkehrspolizei sich nicht drum schert, und außerdem ist Samstag, was kann also passieren?
    Auf dem Markt sitzen wir auf Heuballen und essen, während Dylan mit einigen anderen Kindern spielt. Greg

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