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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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hätte ich sie bestimmt bestürmt, es nicht zu tun, nichts zu tun, was sie in Gefahr gebracht oder sie mir weggenommen hätte. Es reicht nicht zu sagen, sie haben es für eine »gute Sache« getan oder sie hatten »hehre Ziele«. Die Gleichung geht nicht auf, die Verluste sind zu groß.
    Heute Morgen verlasse ich Kapstadt noch vor Sonnenaufgang. Greg und Dylan stehen mit den Hunden am Tor, um mir zum Abschied zu winken. Ich werde heute bis Colesberg fahren und morgen weiter nach Johannesburg, um dort die Schlüssel für das Haus von Sarahs Kollegen entgegenzunehmen, bevor er sich zu seiner nächsten Arbeitsstelle aufmacht. Sarah kommt am Dienstag aus New York.
    Auf der Fahrt halte ich mich wach, indem ich mir die Aufnahmen meiner Interviews mit Clare anhöre. Das ist auch eine Möglichkeit, mich von der Landschaft abzulenken, die nach dem Tal des Hex River die Monotonie der Karoo annimmt, die ich mich nie zu lieben überwinden konnte, als ich hier lebte. Nach Laingsburg gibt es lange Streckenabschnitte mit Straßenausbesserungsarbeiten und ich stehe in endlosen Staus, die von Verkehrspolizistinnen in orangefarbenen Uniformen geregelt werden; sie hocken in mobilen weißen Kästen und warten darauf, den Verkehr weiterzuleiten, während die schwarz-weißen Schildraben oben schweben und nach Abfällen herabstoßen. Wenn wir uns vorwärtsbewegen, dann im Kriechtempo über raue Oberflächen, halb fertig, wellig und instabil durch lose Asphaltstücke, die im Kontrast zu den blasseren Kies- und Splittschichten wie Kohlenstaub glitzern. Das mag ja die Hauptverkehrsader durch das Land sein, aber sie ist immer noch eine zweispurige Straße.
    Ich höre mir die Aufnahme eines unserer späteren Gespräche an, als ich Clare gefragt habe, ob ihre Eltern – besonders ihr Vater, der von den frühen 1950er-Jahren bis zu seinem Tod Mitte der 80er aktiv in der Oppositionspolitik gewesen ist – ihre eigenen politischen Ansichten beeinflusst haben.
    »Wenn Sie fragen wollen, ob sie mich indoktriniert haben, dann sprechen Sie es auch aus«, sagt sie und lässt ihren geringschätzigen Husten hören, der durch die Lautsprecher des Wagens explodiert. »Reden Sie nicht drum herum.«
    »Haben Sie es also getan, Sie indoktriniert?« Ich hasse es, wie meine Stimme klingt – so zaghaft, unterwürfig und schmeichlerisch.
    »Nicht ganz so, wie Sie denken. Sehen Sie, meine Eltern repräsentierten die erste Generation ihrer jeweiligen Familie, die sich über den Boden erhob, die zu voll ausgebildeten Akademikern wurde, sie besaßen also eine besondere Sicht der Welt. Das heißt, sie besaßen einen Wertekanon, der der Tradition verpflichtet war – sie waren nicht ganz und gar weltlich gesinnt, während meine Großeltern und Urgroßeltern sehr gläubig waren, glaube ich –, aber sie waren auch auf natürliche Weise misstrauisch sowohl gegenüber totalisierenden und totalitären als auch autoritären Ideologien. An ihrem Lebensende waren meine Großeltern beiderseits vielleicht dabei, sich zu Humanisten zu wandeln, gelenkt durch die Umstände und ihre Erfahrung und Beobachtung. Sie waren latent fortschrittlich und gezwungen, nach draußen und nach vorn zu blicken, sich vorzustellen, wo die Chancen für ihre Kinder, meine Eltern, liegen würden, jenseits ihrer ländlichen und ziemlich insularen Erfahrungswelt – Männer und Frauen, die dabei waren, sich von orthodoxen Auffassungen zu trennen , wenn man Methodisten überhaupt orthodox nennen kann. Oder die von der Geschichte genötigt wurden, diesen Schritt zu tun, ihre Weltanschauung zu ändern, aufgrund des Geschehens um sie herum, dessen Zeugen sie wurden, obwohl die Methodisten in diesem Land eine Reputation hatten, die man als anständig, wenn auch nicht makellos, bezeichnen kann. Meine Eltern hingegen schienen die Welt als voll ausgebildete Humanisten betreten zu haben, die ihre Religion auf ziemlich beiläufige und geschmeidige Weise praktizierten – meine Mutter mehr als mein Vater.« In diesem Augenblick wurde Clare, wie ich mich erinnere, von einem ihrer Gärtner abgelenkt, der einen Rasenmäher in Gang setzte, was als undeutliches Geräusch im Hintergrund der Aufnahme zu hören ist. »Der Mann da macht schrecklichen Lärm, oder? Ich werde ihn bitten, damit aufzuhören.« Sie ruft etwas in Xhosa aus dem Fenster und schließt es abrupt, aber der Gärtner machte weiter, wie ich mich erinnere, und das Rasenmähergeräusch ist immer noch zu hören und erschwert das Verstehen. »Ich will sagen,

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