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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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dass unsere Eltern meine Schwester und mich wahrscheinlich in den Bräuchen ihres Glaubens unterwiesen haben, uns taufen und konfirmieren ließen, doch mir wurde nie beigebracht, dass ich eine gewisse Art von Mann zu heiraten habe, obwohl ich nicht daran zweifle, dass sie, wenn ich einen Afrikaaner oder einen Juden oder Moslem mit nach Hause gebracht hätte, oder insbesondere einen Mann, der nicht weiß war, ins Grübeln gekommen wären oder schlimmer. Ich erinnere mich an ihren Schock, als Nora ihre Verlobung mit Stephan bekannt gab, und meine Mutter war nicht so ganz glücklich, als sie herausfand, dass mein Zukünftiger aus einer katholischen Familie stammte, ungeachtet dessen, dass er selbst Atheist war. Auch Humanisten haben blinde Flecken.«
    »Aber haben die Eltern Sie in politischer Hinsicht indoktriniert?«
    Ich erinnere mich, dass Clare überrascht wirkte über meine indirekte Andeutung, dass sie die Frage nicht beantwortet hatte. Es gibt eine lange Gesprächspause, während der Rasenmäher weiter zu hören ist. Ich höre, wie das Messer eine Wurzel oder einen Stein erwischt. Ich höre, wie ich mich auf der Couch zurechtsetze, eine Mappe an das Aufnahmegerät heranführe und mit dem Stift klicke, um die Mine herauszuschieben.
    »Ich wollte gerade sagen, dass sie es offensichtlich getan haben, wenn man die relative Übereinstimmung von meinen und ihren politischen Ansichten bedenkt. Aber so offensichtlich ist das dann doch nicht. Meine Schwester war so weit davon entfernt, von meinen Eltern indoktriniert zu sein, wie nur möglich. Sie wählte den entgegengesetzten Weg. Also war es nicht unvermeidlich, es existierte kein natürlicher Zusammenhang. Das ist eine Frage, die ich nicht vollständig beantworten kann. Ich weiß letztlich nicht, wie viel Einfluss Eltern auf die Überzeugungen ihrer Kinder haben können oder darauf, wie sie auf der Grundlage dieser Überzeugungen handeln. Man kann nur den Samen legen und die angemessene Umgebung schaffen und hoffen, dass sich die auf der Packung abgebildete Blume auch entwickeln wird, darauf vertrauen, dass bei der Hybride nicht die Merkmale einer früheren Generation durchschlagen oder dass sie nicht etwa durch unvorhersehbare und gänzlich externe Faktoren – eine Dürre, einen Sturm, Umweltverschmutzung – mutiert und etwas gänzlich Fremdes heranwächst.«
    »Und das, wollen Sie andeuten, geschah bei Ihrer Schwester?«
    »Eine Mutante, ja. Noras Boden, das Wasser, das sie trank, die Luft, die sie atmete, alles war verschmutzt. Und während sie und ich mehr oder weniger unter den gleichen Bedingungen heranwuchsen, hatte ich eine höhere Toleranzschwelle, eine natürliche Immunität gegen das Milieu, das mit solcher Macht unseren Wuchs für seine bösartigen Zwecke verbiegen wollte. Aber nicht Nora. Sie war immer schon leicht beeinflussbar. Sie war schwach.«
    »Und Ihre Tochter? Würden Sie sagen, dass Sie sie indoktriniert haben?« Ich höre die Anspannung in meiner Stimme, wie sie plötzlich erstickt klingt, voller Furcht vor den Worten, die sie sagt.
    »Manchmal ist eine Pflanze kräftiger als ihre Eltern. Aber Laura – ich möchte nicht über sie sprechen, wie Sie sehr gut wissen.«
    Ich mache in Beaufort West eine Imbisspause, kaufe ein Sandwich und sitze im Auto auf der Straße, auf der sich weiter oben Ellens altes Haus befindet. Die Stadt hat sich kaum verändert, seit ich das letzte Mal hier war, abgesehen von den neuen Radargeräten und dem Schild mit der Warnung, dass hier ein WASSERNOTSTANDSGEBIET ist; der Wasserspiegel im Reservoir ist gefährlich niedrig und man muss Wasser per Lkw heranschaffen. Nach jahrelangem Aufenthalt in den Staaten bin ich überrascht, wie amerikanisch die Stadt wirkt – die amerikanischen Fastfoodketten, die Motels, der Schrottplatz und die Wohnwagen. Nur hin und wieder erinnert mich ein Schild auf Afrikaans oder Xhosa daran, wo ich mich befinde, und die Bauweise der Wohnhäuser, die Township und die Menschen selbst. Demografisch gesehen ist das, als ob man eine Kleinstadt im tiefen Süden der USA nähme und sie mitten in der Wüste von Nevada absetzte.
    Ellens altes Haus hat sich genauso wenig verändert wie die übrige Stadt und ich stelle fest, dass ich auf derselben Stelle parke, wo Lionel und Timothy vor zwanzig Jahren angehalten haben müssen.
    »Ist das das Haus?«, fragte Lionel. Von den beiden war er derjenige, der sich stets mehr Gedanken um mich machte.
    »Ja, das ist es«, sagte ich, aus dem Rückfenster

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