Abstauber
sie wohl niemals wirklich gewesen war.
Bärlach versuchte, die Stimmung
ein wenig zu heben. »Hauptsache denen steigt der Sieg nicht zu Kopf!« Er bekam keine
Antwort, nur böse Blicke, und sank in sich zusammen.
»Pia, warum nimmst du Herrn Bärlach
nicht mit und ihr beide geht ein Bierchen trinken. Bestimmt hat er von unserer Stadt
noch nicht viel gesehen.«
Tauners Fuß hatte noch nicht den Bürgersteig vor dem Polizeipräsidium
berührt, da klingelte sein Handy. Er holte es eilig hervor und war ein wenig enttäuscht,
als er die Nummer sah. »Martin, was ist?« Es dauerte nur eine Sekunde. »Ich komme!«
»Hier unten war ich schon mal«, sagte Tauner leise und legte seinen
Kopf in den Nacken, um hinaufzusehen. Weit über ihm rauschte abendlicher Verkehr.
Die Prießnitz war ein kleiner Fluss, der in der Dresdner Heide entsprang und sich
durch einen kühlen Grund bis in die Stadt hinein und dort in die Elbe schlängelte.
Eine Brücke spannte sich über das Tal, sehr hoch, und nicht nur ein Mal war ein
Selbstmörder hier hinabgesprungen. Oben rauschte abendlicher Verkehr.
Es war schon recht dunkel, sodass
Martins Leute Scheinwerfer aufstellen mussten. Ein paar uniformierte Beamte suchten
das Gelände unterhalb der Brücke ab, stocherten im Unterholz und wateten mit Gummistiefeln
durch den Fluss, der an dieser Stelle keine vier Meter breit und einen halben Meter
tief war.
»Ich weiß«, antwortete Martin ziemlich
spät, er hatte Tauner ein wenig Zeit zum Nachdenken gelassen. »Ich hab sie aufgesammelt!«
Die Frau eines ehemaligen Kollegen
hatten sie hier auflesen müssen. Lag im Schnee, als schliefe sie friedlich, als
müsste man ihr nur einen kleinen Klaps geben oder einen märchenhaften Kuss, um sie
zu wecken. Stattdessen hatte er sich noch geprügelt mit seinem Kollegen und seinem
eigentlich besten Freund.
»Also gut!«, sagte Tauner, auch
das war schon Jahre her. Der Kollege saß in der geschlossenen Anstalt und in ein
paar Jahren würde auch das niemanden mehr interessieren.
Martin hatte nicht vor, Tauner sentimental
werden zu lassen. »Kinder haben hier unten gespielt, das war wohl gegen fünf am
Nachmittag. Die durften das eigentlich nicht, deshalb haben sie sich nicht getraut,
den Fund ihren Eltern zu zeigen. Dann haben sie es aber doch und haben etwas Falsches
erzählt, nämlich, dass sie sie im Alaunpark gefunden hätten. Schließlich aber, nachdem
wir hier mit ein paar Autos anrückten, weil die Eltern uns angerufen hatten, und
ich bemerkte, dass die Hosen von dem einen Burschen noch immer nass waren, haben
sie ausgepackt. Im Prinzip lag sie im Wasser, genau unter der Brücke und es fiel
ihnen auf, weil es in dieser Tüte hier eingepackt war.« Martin deutete auf eine
blaue Tüte. »Jedenfalls haben wir hier eine Heckler & Koch P10.«
Tauner nickte und fragte nicht,
ob es die Tatwaffe war. »Warum haben wir das nicht gefunden?«, fragte er deshalb
und wusste, dass es sich dabei um eine Provokation handelte.
Dementsprechend reagierte Martin,
sah Tauner über seine Brillengläser hinweg an und holte Luft. »Wir haben schon die
gesamte Stauffenbergallee abgegrast, weiter hinten natürlich, wo der Anschlag stattgefunden
hat. Wir waren vollauf mit den Analysen beschäftigt, als dieser Anruf in der Zentrale
einging. Und außerdem hatten wir keine andere Anweisung von dir und: Wer rechnet
schon damit, dass der Täter die Waffe – wenn sie es ist – ausgerechnet hier entsorgt,
keine zweihundert Meter von der Stelle entfernt, wo Ehlig angehalten hat.«
Tauner nickte.
»Das müsste bedeuten, er ist dem zerschossenen Auto sogar noch hinterhergelaufen.«
Ungläubig sah Tauner zur Brücke hinauf und erwartete fast, dort jemand spöttisch
winken zu sehen. Wenigstens konnte er jetzt ziemlich sicher sein, es doch nicht
mit einer zufälligen Kurzschlusshandlung zu tun zu haben. Hier hatte jemand einen
Plan. Ein leichtes Kribbeln machte sich in Tauner breit, eine Mischung aus Vorfreude
und Angst.
»Vielleicht wollte er erst auf Nummer
sichergehen?«
»Oder er hat die Waffe erst später
hier hinabgeworfen, denn sonst wäre er ja fast gleichzeitig mit den ersten Polizisten
vor Ort gewesen. Der muss die sonst gesehen haben, die müssten sogar an dem vorbeigefahren
sein. Der ist doch nicht so frech? Oder?«
»Aber wenn er sie später erst hier
entsorgte, warum hat er sie nicht ganz woanders hingebracht, oder mit einem Stein
in der Elbe versenkt, oder vergraben? Warum hier?« Martin hatte seinen Ärger
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