Abstauber
finden.
Keine Ahnung, wie weit Ehlig gedacht hat. Vielleicht war das unplanmäßig gewesen.
Spechtler hat vielleicht kurz vor Schluss gesagt, dass er nicht mitmacht. Da mussten
sie ihn unter Druck setzen.«
»Und warum sollte Spechtler die
Waffe deponieren? Warum nicht irgendjemand aus Ehligs Bekanntenkreis? Ausgerechnet
der Torwart, den Ehlig aus der Mannschaft geworfen hat?«
Tauner schüttelte scheinbar traurig
den Kopf, lächelte dann und klopfte Martin noch einmal auf die Schulter. »Du wirst
es bestimmt erfahren, wenn wir die allesamt einkassiert haben. Weißt du schon etwas
von deinen Leuten aus dem Labor?«
Martin sah Tauner über seine Brille
an. »Hätte ich es dir gesagt, wenn ich etwas Neues wüsste?«
Tauner lachte und nickte. »Ich fahr
rein und lasse Pia einen Kaffee kochen. Ihr räumt hier noch schön auf und ich warte
auf deinen Anruf, damit Frau Diekmann-Wachte den Haftbefehl schreiben kann. Wir
müssen uns mit den ukrainischen Behörden in Verbindung setzen, die werden nicht
dulden, wenn wir uns auf deren Staatsgebiet zu Amtshandlungen hinreißen lassen.«
»Die werden es kaum erwarten können,
ihn zu verhaften«, sagte Bärlach leise. »Wir müssen also sicher sein und uns dann
auf die Bahamas verziehen, um hier nicht gelyncht zu werden.«
Tauner klopfte auch ihm auf die
Schulter. »Ich werde mich der Öffentlichkeit stellen, mach dir nur deshalb keine
Sorgen.« Tauner ließ die beiden stehen.
»Scheint ihm ein großes Vergnügen
zu sein«, sagte Bärlach leise, doch Tauner konnte es noch hören.
»Konnte den Ehlig noch nie leiden«,
bestätigte Martin noch leiser, doch Tauner hörte auch das. Er dachte sich nur seinen
Teil.
Pia war geknickt, da brauchte Tauner gar nicht erst zu fragen. Das
große Finale stand bevor und sie wusste nicht einmal, ob es mit Trainer stattfinden
würde und schlimmer, sie konnte mit niemandem darüber sprechen, denn bislang war
alles geheim. So saß sie an ihrem Schreibtisch, sortierte Akten, heftete ab und
ging ans Telefon, wenn es klingelte, nur um sagen, dass es noch nichts Neues gebe.
Tauner setzte sich zu ihr an den Schreibtisch, sah ihr zu und verschwendete keinen
Gedanken daran, sie nach Kaffee zu fragen.
»Wenn sie gewinnen, kann es dir
doch egal sein, oder?«, sagte er schließlich.
Pia verzog den
Mund wie ein eingeschnapptes Mädchen und mit einem Mal tat sie Tauner unendlich
leid. Er sah das kleine Mädchen, das sie einmal gewesen war, das sich durchsetzen
musste gegen vier große Brüder. Ein Mädchen, das keine Mutter hatte, an die es sich
anlehnen konnte, weil ihre Mutter so sehr mit sich selbst zu tun gehabt hatte. Ein
Wunder eigentlich, wie diese nebenbei noch fünf Kinder zur Welt bringen konnte.
Dieses kleine Mädchen hatte nicht allzu viele Träume, war scheinbar zufrieden mit
ihrer Arbeit; dass sie keinen Mann fand, störte sie nicht, oder sie wollte vielleicht
gar keinen. Ihr Traum war es, die Deutschen beim Fußball gewinnen zu sehen, sie
wollte feiern und mitfiebern. Sie wollte nicht nachdenken, ob und wie sinnlos alles
war, so wie er es tat, der ungehobelte Klotz Tauner, der eigentlich schon einmal
ganz glatt geschliffen war, poliert und geölt. Dann war ihm dieser Tumor dazwischengekommen,
nicht nur körperlich, sondern auch seelisch, und die Ärzte hatten ihn mit ihren
chemischen und psychischen Therapien aufgespleißt, mürbe gemacht, hatten hier geraspelt
und da gebohrt und dann hatten sie ihn gesund entlassen. Körperlich gesund mit einer
interessanten Narbe am Kopf, aber all der Lack war ab, all das, was die Leute früher
lächeln machte, wenn er etwas zu sagen hatte. Nun rissen sie sich an seinen scharfen
Kanten, zogen sich Splitter ein und er wehrte sich erfolgreich gegen jeden Versuch,
ihn erneut glatt zu schleifen, damit er weiter der unverstandene Held sein konnte,
der immer recht hatte. Und ausgerechnet den wenigen Leuten, die er noch hatte, denen
tat er am meisten weh, ob es nun seine Frau war oder Uhlmann, selbst Martin und
erst recht Pia. Es stimmte, was die Ehlig gesagt hatte, er konnte sich eine solche
Freundschaft nicht vorstellen, er konnte nicht glauben, wie man anderen blind vertraute,
weil er selbst niemandem blind vertraute. Er hatte so etwas nie erlebt. Weil unter
dem glatt polierten Falk Tauner, den es einmal gegeben hatte, schon immer ein störrischer
Esel steckte, der verhinderte, dass er sich selbst vollkommen vertraute. Und wie
konnte man anderen vertrauen, wenn man nicht einmal sich selbst trauen
Weitere Kostenlose Bücher