Abstauber
auf
die Brust. »Der kann doch aber nicht so irre sein!«
»Er ermordet einen Widersacher,
der ihn um drei Millionen Euro gebracht hat und offenbar mit einer Frau zusammen
ist, die er seit vierzig Jahren liebt, er schädigt seinen Erzrivalen, der hinter
seinem Rücken mit dem DFB-Präsidenten verhandelt hat, und schädigt den DFB-Präsidenten
selbst. Er selbst ist verletzt, steht als Held da und ist nun nicht mehr gezwungen,
Europameister zu werden, und falls es doch klappt, ist er der Superheld. Mir schien
absurd, dass jemand genau dort steht und auf das Auto wartet, kein Zeuge weit und
breit, sechs präzise Schüsse, fast alle auf den Punkt bei einem bewegten Fahrzeug,
dann diese abgelenkte Kugel … Spätestens nachdem Martin die Tatwaffe gefunden hatte,
mit Achtermanns Fingerabdrücken drauf, war mir klar, dass hier etwas nicht stimmt.«
»Warum aber hat er dann den Heiligmann
umfahren lassen und wer soll das gewesen sein?«
»Er wollte uns auf die falsche Spur
bringen, vorher war Heiligmann nur ein Statist für uns. Dann bezahlt er die Nutte,
damit die das Alibi platzen lässt, wenn wir der noch mal auf den Zahn fühlen und
ein bisschen Druck machen, nimmt die ihre letzte Aussage bestimmt wieder zurück.
Der Rechtsanwalt, mit dem sie kam, war aus derselben Kanzlei, in der Rüdinger früher
angestellt war und die damals Ehlig vertreten haben. Bestimmt hatte der noch Kontakte.«
»Und glaubst du, die anderen Hamburger
haben davon gewusst?«
»Da bin ich mir nicht ganz sicher.«
Pia holte tief Luft, dann sah sie
Tauner noch mal fest in die Augen. »Der kokst nicht. Der ist cholerisch, der schreit
und regt sich auf, das macht der schon immer, genauso wie er immer dummes Zeug geredet
hat …«
»›Ich will Deutschland zum Sieg
führen!‹«, zitierte Tauner Ehlig.
»Genau das, das war ein Versprecher,
so ist der schon sein ganzes Leben lang. Der kokst nicht! Behaupte das niemals öffentlich.
Du wirst dich nur blamieren!«
Tauner nickte brav, damit Pia ihre
Ruhe fand. »Ich halte mich zurück.«
»Dass ich so was in meinem Alter noch erleben muss!« Martin nahm die
Brille ab und putzte sie kopfschüttelnd. Seine hagere Gestalt wirkte noch ein bisschen
hagerer als sonst.
Autos rasten an ihnen vorbei, obwohl
hier nur dreißig gefahren werden durfte. Ihre Reifen knatterten laut über das alte
Kopfsteinpflaster, Tauner musste laut reden. Er klopfte Martin auf die Schulter.
»Mach dir nichts draus«, sagte er, und erst als er den Satz ausgesprochen hatte,
hörte es sich an, als fehlte ein Teil: ›Fehler macht jeder mal.‹ Doch das hatte
er gar nicht sagen wollen. Wie sollte man Martin und seinen Leuten einen Vorwurf
machen, schließlich war der Tatort gerade mal auf mehrere Dutzend Meter begrenzt
worden. Nirgendwo hatte es einen Anhaltspunkt gegeben, wo der Schütze wirklich gestanden
haben soll. Das konnte vom toten Winkel der Kameras an der Polizeikaserne bis zur
Kurve gewesen sein. Logisch, dass Ehlig keine genauen Angaben machen konnte oder
wollte.
Das Waffenversteck hatte Martin
selbst gefunden, nachdem er mit Bärlach fast bis dahin gelaufen war, wo die Stauffenbergallee
eine S-Kurve beschrieb. Dort hatten sie hinter einem Bretterhaufen einen Blechkasten
gefunden. Die auf das Auffinden von Waffen trainierten Hunde hatten angeschlagen
und bald hatte man keine zwei Meter weiter im Gebüsch zwischen Unmengen anderem
Unrat, Papiertaschentüchern und Plastiktüten einen ähnlichen hellblauen Kaugummi
im Gras gefunden wie den, den sie schon einmal gefunden hatten und wie Ehlig sie
pausenlos verbrauchte. Nun mussten sie nur noch auf die Bestätigung aus dem Labor
warten.
»Die Sache mit dem Spechtler wird
mir dadurch aber nicht klarer«, murmelte Martin und setzte sich die Brille wieder
auf. »Wenn er so eine Angst um seine Frau hat, warum sucht er sie drei Wochen lang
auf eigene Faust, anstatt zu uns zu kommen?«
Für Tauner schien das logisch und
während er zu Martin sprach, beobachtete er Bärlach, der still danebenstand, in
der Hoffnung, dessen eigentliche Meinung zu erfahren. »Weil er eben Angst hat um
sie, weil er Ehlig alles zutraut. Er will die Polizei draußen lassen, deshalb rief
er mich in Hamburg im Hotel an und drohte, es ginge um Leben und Tod, und aus dem
gleichen Grund hat er auch versucht, mich zu überfahren.«
»Aber was soll Ehlig mit Frau Spechtler
anfangen? Er kann doch nicht riskieren, sie freizulassen. Spechtler könnte alles
erzählen.«
»Darum ist es wichtig, sie zu
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