Abstauber
Ehlig bezahlt wurde.«
Bärlach meldete sich sogleich freiwillig.
»Ich kümmere mich darum.«
»Alles klar!« Tauner erhob sich
und diesmal war es Uhlmann, der ihn festhielt.
»Wenn die heute gewinnen«, sagte
der große dicke Mann, »dann werden wir einen Helden verhaften!«
»Ich weiß«, sagte Tauner und klopfte
Hans auf die Schulter.
Aufregung lag in der Luft, man konnte es regelrecht schmecken. Überall
waren Menschen mit Fahnen unterwegs, lautes Tröten und Hupen ertönte allerorten,
es roch nach Bratwürsten und verschüttetem Bier. Tauner hatte seine Armschlinge
abgelegt, hatte sich die Jacke über die Schulter geworfen, sodass man den Pistolenhalfter
nicht sah und ging gemächlichen Schrittes durch die Straßen. Hitze stand zwischen
den Häusern, obwohl sie lange Schatten warfen, und ließ Tauner den Schweiß von der
Stirn laufen und von der Nase tropfen.
Er wusste, dass er nicht würde schlafen
können, weder jetzt noch tief in der Nacht. Er fühlte sich aufgeweicht und schwach
und war froh, allein damit zu sein. Er wusste, dass er selbst nicht gegen die Aufregung
gefeit war, denn er wünschte sich wahrscheinlich tief in seinem Herzen, dass Deutschland
gewinnen würde, auch wenn er das nie und nimmer zugeben würde, gerade weil ein geschlagener
Ehlig ihm eine leichtere Arbeit versprach. Und er würde es irgendwann nicht mehr
aushalten und den Fernseher einschalten, weil er ja doch nicht umhinkam, die Geräusche
der Nachbarn und auf der Straße zu ertragen, die jubelten oder stöhnten oder einfach
still waren, wenn es schlecht lief. Und wenn das Spiel zu Ende war, würde er miterleben
müssen, wie die ukrainische Polizei agierte und er hoffte, niemand verstünde es
falsch oder versuchte sogar sich einzumischen, nicht, dass noch jemand zu Schaden
kommen würde. Hätte er nicht warten können, bis Ehlig nach Deutschland kam? Ehlig
hätte nicht entfliehen können, nach diesem Spiel wusste jeder Mensch auf der ganzen
Welt, wie er aussah, und außerdem hatte Ehlig keine Ahnung, wie dicht sie ihm auf
den Fersen waren.
Aber er wollte Stärke zeigen, wollte
zeigen, dass er zur obersten Instanz gehörte, dass man der deutschen Polizei nicht
auf der Nase herumtanzen konnte, nicht in diesem Stadium. Was auch immer nachher
geschehen würde, ein Gerichtsprozess, der sich über Jahre in die Länge zog, Winkeladvokaten,
die nur nach Formfehlern bei der Ermittlung suchten, die einen Befangenheitsantrag
nach dem nächsten stellten, Rüdinger vielleicht, der jeden seiner Schritte anzweifelte,
jedes Indiz anfocht, jeden Zeitungsartikel, der jemals über Hauptkommissar Tauner
geschrieben wurde, wieder hervorzerrte, und vielleicht sogar ein Freispruch aus
Mangel an Beweisen – er, der leitende Beamte bei den Ermittlungen, würde sich nicht
auf der Nase herumtanzen lassen.
Plötzlich bremste
ein Auto hinter ihm scharf ab, Tauner wirbelte herum, wich vorsorglich aus, doch
es war kein Anschlag, auch wenn das Auto dicht neben ihm zu stehen kam. Es war ein
dunkler Audi, ein Mietwagen. Frau Ehlig saß drinnen. »Steigen Sie ein!«, sagte sie
und eine Pistole, die sie dabei durch das offene Beifahrerfenster auf Tauner richtete,
half ihm bei seinem Entschluss. Er öffnete die Tür, setzte sich auf den Beifahrersitz,
hoffte, dass niemand der Passanten die Waffe bemerkt hatte.
»Stecken Sie die Waffe weg, ich
wäre auch so bei Ihnen eingestiegen«, sagte er, während Frau Ehlig mit der Waffe
in der Hand versuchte, sich wieder in den Verkehr einzuordnen.
»Ich habe auch eine Waffe und kann
gut damit umgehen. Sie müssen fahren und können mich nicht die ganze Zeit bedrohen!«
Frau Ehlig schien nicht überzeugt
und schließlich packte Tauner blitzschnell zu, fasste sie am Handgelenk, wodurch
sie ihre Hand öffnete und sich die Waffe abnehmen ließ. Doch sie gab Gas, fuhr auf
die zweite Spur und überholte riskant.
»Sie können normal fahren, wo immer
Sie mit mir hinwollen«, mahnte Tauner. »Oder wollen Sie vielleicht ein Bett neben
Heiligmann?«
Frau Ehlig atmete tief durch, dann
bog sie links in eine Nebenstraße, bremste scharf. »Fahren Sie!«, befahl sie und
schnallte sich ab.
Tauner stieg aus, öffnete der Ehlig
die Fahrertür, begleitete sie zur Beifahrertür und schloss diese, als sie Platz
genommen hatte. Dann umrundete er das Auto und stieg erst ein, als er sicher war,
dass sie nicht flüchten würde.
»Ich nehme an, Sie haben einen Waffenschein?«,
fragte er leise.
Frau Ehlig schwieg und begann, in
ihrer
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