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Absturz

Absturz

Titel: Absturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gstaettner
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Sie sich, meine Verehrten, einen Roman vor, in welchem die Teile gegen das Ganze recht bekommen , das kann ich mir gar nicht vorstellen, Spiel und erster Satz Ivanisevic, das kann ich mir gar nicht vorstellen. Ab dem dritten Satz außerdem Tellerwaschen, damit ich auch etwas tue, alles gleichzeitig, Punkt Ivanisevic, ein Satz Steinwachs, Punkt Agassi, ein Teller, Punkt Ivanisevic, das funktioniert. Wie Ivanisevic den Ball mit der Hand zum Aufschlag in die Luft wirft, muss ich nicht sehen, daraus lernt man nichts, das entscheidet nichts, ich muss nur sehen, wie er den Ball ins agassische Aufschlagfeld katapultiert, man lebt nur einmal, man muss den richtigen Augenblick erwischen, man muss den Gegner am falschen Fuß erwischen, man muss den Teller auch noch trocken wischen, das funktioniert, wenigstens einmal hätte der Fernsehkommentator Schopenhauer erwähnen können, ich meine im Allgemeinen. Ivanisevic schlägt sechsunddreißig Asse, das ist Rekord, beim Bachmannpreis haben die Juroren die Steinwachsprosa eine  Liebeserklärung an die deutsche Sprache  genannt und die formale Bändigung gewürdigt, ich bin Pazifist, im Übrigen eher für Kriegserklärungen an Sprachbeziehungskisten, und da und dort ist in Expertenkreisen von systemimmanenter Verweigerung die Rede, das kann ich mir gar nicht vorstellen. Agassi hat mehr Haare auf der Brust als jeder Juror und es ist bürgernah, wenn er am Centre Court sein Trikot wechselt. Dafür trägt er am Kopf über seiner Glatze ein Toupet, was die Welt noch nicht weiß, aber die Welt will ja betrogen sein, und immerhin ist Agassi ein Hasardeur erster Ordnung, denn ein Spiel mit dem Feuer ist es ja, sein Trikot zum Wechseln über den Kopf zu ziehen, wenn dort ein provisorisches Toupet klebt. Ich bin skeptisch, was die Erleichterung des Küchenlebens durch die Geschirrspülmaschine betrifft, eine Ansammlung von Automaten in den eigenen vier Wänden würde mich unweigerlich auf meine Menschlichkeit zurückwerfen, Punkt Ivanisevic, Punkt Ivanisevic, Punkt. Beim Servicetraining sind kein Gegner und keine Ballmaschine nötig, ein Monolog von der Grundlinie aus, Nachrichten aus der Einsamkeit, Agassi dagegen ist lyrisch, vor allem longline. Beim Finanziellen haben die Juroren die Steinwachs dann aber ignoriert, das ist das Schicksal von Liebeserklärungen, andere Ausgebootete erklären, die Bachmann hätte beim Bachmannpreis auch keine Chance gehabt, oh möchten doch die Toten auferstehen, um ihre Nachwelt zu verprügeln, wie auch wir verachten unsere Deutschlehrerskelette, Spiel, Satz und Sieg Agassi, ein Triumph der Kunst, ein Sieg des Humanismus, das Monster ist an den Nerven gescheitert, das hab ich mir gar nicht vorstellen können. Der Ivanisevicvater hat sein gesamtes Vermögen in den Ivanisevicsohn investiert, erzählt der Moderator, schön, wenn die Generationen ineinander investieren, das Monster hat sich erkenntlich gezeigt. Mein Urgroßvater hat sich bereits an dem Tag, als ihm meine Urgroßmutter ankündigte, er würde Vater werden, spontan umgebracht, das heißt: aus dem Fenster gestürzt.
    Du liebe Güte, was war die Jugend seinerzeit experimentell! Was für Interpunktionen, was für Sätze! Long vehicles! Und alle Experimente haben nur zu dem Ergebnis geführt, dass bei Experimenten nichts herausschaut, außer vielleicht befriedigte Eitelkeit. Du liebe Güte, die Jugend hatte noch kein Geld für einen Geschirrspülautomaten, aber unglücklich und übermütig war sie trotzdem. Und so rasend gebildet!
    Alle Quellen quellen über, vor allen Projekten das Projekt, anlässlich meines dreißigsten Geburtstags mir zu Ehren eine Festschrift unter dem lapidaren Titel  Das dreißigste Jahr  zu verfassen, sonst macht das ja keiner. Natürlich kenne ich die Ovid’sche Geschichte des Narzissus, der am Wasser sein Spiegelbild entdeckt und sich sofort Hals über Kopf verliebt, sich nach einigem elegischen Palaver, weil sich die Kontaktlust des Gegenübers in stereotypen Nachäffereien erschöpft, endlich entschlossen zum Koitus mit dem Spiegelbild ins Wasser stürzt und exemplarisch absäuft, ich jedenfalls würde die Geschichte so erzählen, sonst macht das ja keiner. Wenn einer in sein dreißigstes Jahr geht, wird man nicht aufhören, ihn einen jungen Dichter zu nennen. Er selber aber, obgleich er keine Veränderungen an sich entdecken kann, vielleicht mit Ausnahme des mittels Siebbein-Tomografie eruierten Polypen in der Nebenkieferhöhle und des hyperästhetisch-emotionellen

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