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Absturz

Absturz

Titel: Absturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gstaettner
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des Erzengels, eine noch nicht zwanzigjährige Laiendarstellerin vom Land. So ist der Boulevard. Wirklich verrissen hat mich nur die Kirchenzeitung. Hat sich der Autor ganz einfach über sein Publikum lustig gemacht, und wenn ja: Ist das mutig? Die Grenze zwischen Mutprobe und Jugendsünde ist fließend. Am Theater lässt es sich unmittelbar und einwandfrei feststellen, ob das Publikum an den richtigen Stellen lacht. Aber es lässt sich nur schwer und nicht einwandfrei feststellen, ob das Publikum an diesen richtigen Stellen auch aus dem richtigen Grund lacht, falls es überhaupt lacht. Es gibt in meinem Schöpfungsbericht eine Stelle, in der der Teufel und der Liebe Gott gemeinsam ein Tischgebet sprechen, und eine Kritikerin fand den Einfall gelungen, den Teufel beten zu lassen. Meine Frau hingegen fand den Einfall gelungen,  Gott  beten zu lassen.
    Ich selber darf jetzt im Nachhinein durchaus behaupten, dass die Produktion meines Schöpfungsdramas kein besonderer Erfolg war. Während ich nur bei der Generalprobe für das Regionalfernsehinterview, bei der Premiere und bei der Abschlussaufführung anwesend war und mich also noch kein Übersättigungsgefühl plagte, hatten sich die Schauspieler während der sechswöchigen Probenzeit und der vierwöchigen Aufführungszeit offenbar den Geschmack verdorben. Bei der Abschlussaufführung haben die Schauspieler gespielt und gemacht, was sie wollten, sodass diese Abschlussaufführung mit der Premiere und mit dem, was ich mir unter der Vorstellung vorgestellt hatte, nicht mehr viel zu tun hatte. Vor allem der norddeutsche Hauptdarsteller, der den  Adam  gab, ein sogenannter  professioneller  Schauspieler, hat ungeniert den Text verändert, ganze Passagen entweder weggelassen oder frei erfunden, für das ahnungslose Publikum unbemerkbar das Original parodiert und sich durch meine Anwesenheit bei dieser Abschlussaufführung in seinem Einfallsreichtum nicht im mindesten stören lassen. Im Gegenteil hatte ich den Eindruck, dass der Adam mich die ganze Vorstellung lang fixierte und nur für mich, das heißt: gegen mich spielte und sich mit diesem Spiel an mir für die Qualen der vorangegangenen zwölf Aufführungen rächte. Das hat man davon, wenn man Menschen anstatt Buchstaben für sich arbeiten lässt!
    Während dieser Abschlussaufführung waren nach dem zweiten Bild etliche Zuschauer gegangen, wie bei den meisten Aufführungen, die Premiere ausgenommen, vereinzelt Leute nach dem zweiten Bild das Kellertheater verlassen haben, obwohl sie zuvor an der Abendkassa hundertzwanzig Schilling Eintritt bezahlt hatten. So schlimm war es für sie gewesen. Sogar eine Reisegruppe aus Wolfsberg, die mit dem Bus zu meinem Theaterstück angereist war, soll das Theater nach dem zweiten Bild geschlossen wieder verlassen haben, in den Bus gestiegen und nach Wolfsberg zurückgefahren sein. Während des Abschlussessens bezahlte der angeheiterte Kellertheaterintendant die zweite Rate der Honorare aus. Das Abschlussessen mussten sich die Esser selbst bezahlen. Der angeheiterte Intendant hat aber allen Beteiligten in schwarzes Seidenpapier eingewickelte Mängelexemplare von Taschenbüchern zur Erinnerung geschenkt. Welch schöne Geste! Ich habe einen Band mit Theateressays von Arthur Miller bekommen. Die habe ich sofort wieder in das schwarze Seidenpapier eingewickelt und in die nächste Mülltonne geworfen, obwohl man keine Bücher wegwerfen sollte, ganz gleich warum. So unbescheiden war ich.
    Während also manche Leute nach dem zweiten Bild gegangen sind, obwohl sie vollen Eintritt bezahlt haben, ist unser beamteter Universitätsstadtphilosoph erst nach dem zweiten Bild  gekommen  und hat, wie mir die Kartenfrau später erzählte, am Kassatisch so lange mit ihr gefeilscht, bis er nur noch den halben Preis bezahlen musste. Ohne die ersten beiden Bilder gesehen zu haben, sagte mir der beamtete Universitätsphilosoph später, er an meiner Stelle hätte dieses Stück nicht aufführen lassen. Ja, sagte ich dem lässigen Zuspätkommer und pragmatisierten Philosophiebeamten, ja Anarchiebeamten mit Zusatzpension, aber dann wäre das Fernsehen erst zu meinem Siebziger und nicht schon vierzig Jahre früher, also jetzt gekommen, um mich wie zufällig und unabsichtlich bei einer natürlich gestellten Unterhaltung mit dem Regisseur zu filmen, auch wenn schließlich nur ein einziger Satz aus meinem Mund tatsächlich gesendet wurde, ein völlig idiotischer, wenn ich mich recht erinnere. Aber ein

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