Absturz
Fernsehsatz ist besser als kein Fernsehsatz. Wie viele Dichter müssen ihr Leben lang ohne Fernsehsatz auskommen! Wie viele werden nie um einen O-Ton gebeten! Nach dem Fernsehsatz hat mich jemand aus Judenburg angerufen und gesagt: »Du hast es geschafft! Du hast es ja jetzt geschafft!« Er habe es nicht geschafft. Und dann hat er mir sein ganzes Leben erzählt: ein schreckliches Leben, wenn auch ohne Ereignis. Einer hat mir einen Brief geschrieben und mir ein gutes altes Hausmittel gegen rezidivierendes Erbrechen empfohlen. Dann hat einer angerufen und gesagt, er müsse ein Referat über mich halten: Wann ich geboren sei und welche Hobbys ich hätte? Dann habe ich mir einen automatischen Anrufbeantworter gekauft. Ohne Aufführung wären nicht nur die schmucken Programmhefte, sondern auch die ein Meter zehn mal siebzig Zentimeter großen Plakate mit meinem Namen nicht gedruckt und aufgestellt und aufgehängt und aufgeklebt worden. »Weißt du«, habe ich dem pragmatisierten Philosophiebeamten gesagt, »es gibt hier sonst keine Arbeit für mich.«
Auch das Fräulein Moser von der Landhausbuchhandlung hätte kein Schaufenster gestalten können. Dazu muss man wissen, dass das Fräulein Moser die schönsten Buchhandlungsauslagen der ganzen Stadt gestaltet, und die mich betreffenden Schaufenster gehören zu den schönsten der ganzen Landhausbuchhandlung. So viel Liebe zum Detail! Regelrechte Kunstwerke! Das Fräulein Moser ist aber nicht nur als Dekorateuse unübertroffen. Sie trägt auch aufregende Stöckelschuhe, die ein aufregendes Klappergeräusch erzeugen, wenn sie sich auf den Weg macht, um im Lager nach einer aufregenden Buchbestellung zu sehen. Bei der Drucklegung dieses Buches werde ich meinem Verleger vorschlagen, den Umschlag mit dem Bildnis der Stöckelschuhe des Fräuleins Moser zu gestalten. Überhaupt ist es wohl einer meiner größten Wünsche, einmal in ein vom Fräulein Moser gestaltetes Landhausbuchhandlungsschaufenster zu blicken, das sowohl mein Buch zeigt, dessen Umschlag mit den Stöckelschuhen des Fräuleins Moser gestaltet ist, als auch Fräulein Mosers wirkliche Stöckelschuhe daneben. Fräulein sollte man angesichts dieser Frau natürlich überhaupt nicht sagen. Ich zitiere nur all diejenigen, die das tun, zum Beispiel den Geschäftsführer.
Nun hat mich das Fräulein Moser aus der Landhausbuchhandlung aber insofern vor den Kopf gestoßen, als sie sich mir anlässlich meiner Abholung der bestellten Philosophie des Glücks von sich aus als Mitglied einer Pischeldorfer Laienschauspieltruppe zu erkennen gab, die im Rahmen der Pischeldorfer Sommerkulturtage in einer Pischeldorfer Scheune zugunsten der Kriegsopfer vom Balkan Die blaue Maus von Hugo Wiener zur Aufführung bringt. Zur Philosophie des Glücks wollte mir das Fräulein Moser gleich noch zwei Eintrittskarten für die Blaue Maus andrehen, achtzig Schilling pro Stück! Wäre es nicht sehr geschmacklos gewesen, zugunsten der Kriegsopfer vom Balkan über das Fräulein Moser in der Blauen Maus von Hugo Wiener zu lächeln, falls überhaupt etwas zu lächeln gewesen wäre? Eine Dramatisierung von Candide oder der Optimismus oder eine Dramatisierung der Welt als Wille und Vorstellung hätte ich mir, wenn auch vielleicht nicht ausgerechnet in einer Pischeldorfer Scheune, zugunsten der Kriegsopfer vom Balkan einreden lassen. Aber Hugo Wiener? Die letzten Tage der Menschheit: ja! Vom Nachteil, geboren zu sein: ja! Die verfehlte Schöpfung: ja! Die blaue Maus: nein!
Junger Mann! Du sagst zu oft »Pischeldorf«: Das wird man dir als Bernhardeske auslegen! Schon »Wolfsberg« war zu viel! Und jetzt auch noch »Pischeldorf«!
Erstens ekelt mich die Welt an, zweitens ekeln mich die Herzeigeweltverbesserungen und das Weltverbesserungsgeschwätz an, drittens die Weltverbesserungen mittels Erlagschein und Spendenkonto. Am widerlichsten sind die Weltverbesserungen in Designermode mittels Kunstgenuss, die ausgestopften Hochglanzsamariter in den VIP -Logen. Immer gewinnen im Weltverbesserungskapitalismus das Kapital und die Upperclass. Und die an der Upperclass-Leine gehaltenen und äußerln geführte Günstlinge der Kunstmafia. Die absurdesten Kunsterzeugnisse werden dank ihrer niedrigprozentigen karitativen Umwegrentabilität zur guten Tat erklärt. Ateliersentrümpelungen im Namen der Humanität, und gleichzeitig auch noch eine schöne Public-Relations-Maßnahme! Da lässt man sich doch glatt ohne zu
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